Erfahrungen aus Deutschland

Auswirkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit

Eine erste Bilanz für Deutschland

Grafik: Aufteilung der Zuwächse nach Branchen
Aufteilung der Zuwächse nach Branchen

Am 1. Mai 2011 sind für die Bürgerinnen und Bürger aus 8 der 10 Staaten, die 2004 der Europäischen Union (EU) beigetreten sind (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn), die letzten noch bestehenden Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit weggefallen. Damit endete eine insgesamt sieben Jahre währende Übergangszeit. Die Bürgerinnen und Bürger dieser Staaten können sich seitdem frei auf dem deutschen Arbeitsmarkt bewerben.

Im Vorfeld der vollen Freizügigkeit war nicht seriös vorherzusagen, wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer neu auf den deutschen Arbeitsmarkt kommen und in welchen Branchen bzw. wo in Deutschland sie arbeiten würden.

Bereits vor 2011 arbeiteten Osteuropäer in Deutschland

Die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit ist eine der Grundfreiheiten der EU - neben dem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital. Schon vor dem 1. Mai gab es zahlreiche Wege, auf denen trotz eingeschränkter Freizügigkeit Arbeitskräfte nach Deutschland kommen konnten (z. B. als Akademiker oder Saisonkräfte).

So lebten und arbeiteten im Jahr 2009 - bei beschränktem Zugang - ca. 580.000 Menschen aus den acht mittelosteuropäischen Staaten in Deutschland. Zum Vergleich: Insgesamt leben dort rund 73 Millionen Menschen.

Auf Basis von Beschäftigungsdaten der Bundesagentur für Arbeit ist nun eine erste, noch sehr vorläufige und unvollständige Einschätzung darüber möglich, wie sich die Arbeitnehmerfreizügigkeit auf den deutschen Arbeitsmarkt auswirkt. So waren im April 2011 226.000 sozialversicherungspflichtig und ausschließlich geringfügig Beschäftigte aus den acht neuen osteuropäischen Mitgliedstaaten in Deutschland registriert.

Bereits vor der Arbeitnehmerfreizügigkeit waren polnische Arbeitnehmer als Saisonkräfte in Deutschland tätig
Bereits vor der Arbeitnehmerfreizügigkeit waren polnische Arbeitnehmer als Saisonkräfte in Deutschland tätig

Realer Zuwachs von 33.000 Beschäftigten

Von April bis Juni steigerte sich diese Größe um 47.000 auf 273.000. Berücksichtigt man die übliche saisonale Entwicklung, kann ein Zuwachs von 33.000 auf die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit zurückgeführt werden. Beschäftigte aus den acht neuen Mitgliedstaaten stellten damit im Juni einen Anteil von 0,8 Prozent an allen Beschäftigten. Dabei fällt der Beschäftigungszuwachs höher aus als die Zahl der Zuzüge von 17.500; er speist sich also zu einem großen Teil aus Personen, die bereits in Deutschland waren.

Von den 273.000 Beschäftigten aus den acht neuen Mitgliedstaaten waren im Juni 196.000 sozialversicherungspflichtig und 77.000 ausschließlich geringfügig beschäftigt. Dies ist  ein Plus aufgrund der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit von 23.000 bzw. 10.000. Die Anteile an allen Beschäftigten liegen damit bei 0,7 bzw. 1,5 Prozent.

Der Gesamtanstieg von 33.000 entfällt maßgeblich auf die Land- und Forstwirtschaft (plus 6.000), das Baugewerbe (plus 4.500), die Arbeitnehmerüberlassung (plus 4.300) und das verarbeitende Gewerbe (plus 3.700).

Bayern hat die meisten Zugänge

Von den 33.000 neu registrierten Beschäftigten zog es 27.000 nach West- und 6.000 nach Ostdeutschland. Die größten Zugänge verzeichnet Bayern mit plus 6.900 Beschäftigten. Es folgen Nordrhein-Westfalen (plus 5.400) und Niedersachsen (plus 5.100). Brandenburg liegt mit plus 2.500 Arbeitskräften auf Platz sechs.

Inwiefern Arbeitskräfte aus den acht mittelosteuropäischen Mitgliedstaaten langfristig einen Teil der in Deutschland entstehenden Fachkräftelücke schließen werden, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass wir unser heimisches Potenzial an Arbeitskräften besser nutzen müssen und zugleich die Zuwanderung gut ausgebildeter Fachkräfte aus dem Ausland brauchen. Deutschland muss daher auch die volle Freizügigkeit nutzen, um attraktiv zu sein für kluge Köpfe von außen.

Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe,
Bundesministerium für Arbeit und Soziales

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