Themen - Nr. 6/2012

Frauen · Fachkräfte

Gewinnerinnen und Verlierer

Behaupten Frauen sich erfolgreicher auf dem Arbeitsmarkt als Männer? Eine Analyse des Lehrstuhls Wirtschafts- und Industriesoziologie der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus geht auf diese zentrale Frage ein.

Frauen scheinen auf dem Arbeitsmarkt in Cottbus besonders erfolgreich zu sein: Sie stellen mit gut 55 Prozent die Mehrheit der Beschäftigten. Damit werden die sonst in Deutschland üblichen Geschlechterverhältnisse (Anteil Frauen 46 Prozent, Männer 54 Prozent) geradezu auf den Kopf gestellt. Wie ist das zu erklären? Sind Frauen in Cottbus qualifizierter als Männer? Sind Cottbuser Arbeitgeber der Beschäftigung von Frauen gegenüber aufgeschlossener als anderswo, bevorzugen sie Frauen (und wenn ja, warum)? Nach ersten Hypothesen zeichnen sich u.  a. folgende Zusammenhänge ab:

  • Frauen profitieren vom Wachstum einiger traditioneller Dienstleistungsbranchen: Ein Viertel der sozialversicherungspflichtig tätigen Frauen arbeitet im Gesundheits- und Sozialwesen, ein weiteres knappes Fünftel in der öffentlichen Verwaltung. Die Männer verteilen sich gleichmäßiger auf alle Branchen. Die geschlechtsspezifische Segmentierung des Arbeitsmarktes ist viel stärker ausgeprägt als im Landes- und im Bundesdurchschnitt: So arbeiten Frauen in Cottbus häufiger in Gesundheitsberufen ohne Approbation, sozialen und pädagogischen Berufen sowie in Verwaltungs- und Büroberufen. Problematisch wird diese geschlechtsspezifische Segmentierung, wenn sie mit nachteiligen Arbeitsbedingungen für die Frauen einhergeht. Deshalb sollten Politik und Verwaltung sich ihrer Verantwortung, die sie in diesen teils öffentlich-rechtlich regulierten Branchen für Qualität und Quantität der Frauenerwerbsarbeit in Cottbus tragen, bewusst sein.
  • Nur gut die Hälfte der Frauen ist sozialversicherungspflichtig in Vollzeit beschäftigt. Der auf den ersten Blick erhebliche Vorsprung der Frauen verringert sich dadurch. Es sind zwar mehr Frauen beschäftigt, hinter ihrem größeren Anteil an den Beschäftigungsverhältnissen steht aber kein entsprechend größeres Arbeitsvolumen (in Stunden). Frauen verteilen sozusagen die Arbeit untereinander. Der außerordentlich hohe Anteil an Teilzeit und Minijobs lässt vermuten, dass es sich zum Teil um Notlösungen und verdeckte Unterbeschäftigung handelt.
  • Junge Frauen entscheiden sich häufiger als junge Männer, ihre berufliche Zukunft außerhalb ihrer Heimatregion Cottbus zu suchen: Unter den 18- bis unter 30-jährigen Abwandernden stellen junge Frauen die Mehrheit, unter den Zuwandernden sind sie in der Minderheit. Offenbar finden junge Frauen in Cottbus nur wenige attraktive Ausbildungsplätze und sehen kaum zufriedenstellende berufliche Möglichkeiten. Ihre Abwanderung verstärkt nicht nur die Probleme des demografischen Wandels, sondern lässt in Zukunft auch einen regionalen Fachkräftemangel insbesondere in den frauentypischen Berufsfeldern erwarten.
Physiotherapie
Cottbuser Frauen arbeiten häufig in Gesundheitsberufen ohne Approbation.

Fazit

Um diese geschlechtsspezifisch ausgeprägten besonderen Entwicklungen auf dem Cottbuser Arbeitsmarkt besser zu verstehen und Folgerungen für die Beschäftigungspolitik zu ziehen, bedarf es genauerer Analysen. Hierzu sollte die Expertise der Arbeitsmarktakteure vor Ort hinzugezogen werden. Interessante Hinweise sowohl auf die Ursachen als auch auf Möglichkeiten zur Problembearbeitung sind von vergleichenden Betrachtungen anderer Regionen zu erwarten. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die ebenso wie Südostbrandenburg von krassen Strukturbrüchen (Wegbrechen der Textilindustrie und des Bergbaus) betroffen sind oder waren.

Heike Jacobsen/Andrea Winkler, BTU Cottbus

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Arbeitsmarktanalyse

Die vorliegende Untersuchung gibt auf der Basis von Sekundäranalysen von Arbeitsmarktdaten einen Überblick über zentrale Entwicklungen in der Stadt Cottbus. Ziel ist, typische Problemkonstellationen zu identifizieren, auf die sich die künftige Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik einstellen muss. Es handelt sich um einen ersten vorwiegend deskriptiven Bericht, der weitere Analysen und empirische Erhebungen anregen soll.

Infos

Die ausführliche Analyse finden Sie hier als PDF-Datei.