Fachkräfte für Europa
Neuer Hafen in Kopenhagen

Das Thema der Fachkräftesicherung ist nicht nur ein deutsches, sondern auch ein europäisches. Es durchdringt alle Dokumente der EU-Beschäftigungspolitik und ihr wichtigstes Instrument zur Durchsetzung dieser Ziele ist der Europäische Sozialfonds.

Unternehmen · Netzwerke

Ist Fachkräftesicherung in der EU ein Thema?

Obwohl der Begriff ‚Fachkräftesicherung‘ explizit in den Dokumenten der EU-Politik kaum verwendet wird, sind die Inhalte der Fachkräftesicherung immanenter Bestandteil der Strategie Europa 2020.

In Brandenburg ist Fachkräftesicherung ein arbeitspolitisches Ziel und ein interdisziplinäres Handlungsfeld. Auch die anderen Bundesländer sind in der Fachkräftesicherung aktiv. Einen Überblick dazu enthält ein Bericht für die Wirtschaftsministerkonferenz am 6./7. Juni 2011 (s. Infos). Darüber hinaus betreibt die Bundesregierung eine Fachkräfteoffensive. 

Was unternimmt die EU zur Fachkräftesicherung?

Der Begriff ‚Fachkräftesicherung‘ taucht auf europäischer Ebene eher selten auf. Lediglich in Papieren über Handlungsansätze in Deutschland ist er zu finden. Das heißt jedoch keineswegs, dass die EU die damit angesprochenen Probleme nicht kennt oder gar ignoriert. Im Gegenteil, heute ist die Fachkräftesicherung immanenter Bestandteil der Strategie Europa 2020. Insbesondere in der Leitinitiative zu Europa 2020 ‚Agenda für neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten: Europas Beitrag zur Vollbeschäftigung‘ sind EU-Maßnahmen vorgesehen, die darauf abzielen, die Arbeitsmärkte in den Mitgliedstaaten zu reformieren, das Niveau der Kompetenzen zu erhöhen und diese auf die Marktnachfrage abzustimmen. Damit sollen die Beschäftigungsfähigkeit erhöht, ein Arbeitsplatzwechsel erleichtert, sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Arbeitsplatzqualität verbessert und neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Die Leitinitiative ‚Agenda für neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten‘ wurde im November 2010 veröffentlicht. Sie ist insbesondere auf das beschäftigungsbezogene Kernziel der Strategie Europa 2020 gerichtet, eine Beschäftigungsquote unter den 20- bis 64-jährigen Frauen und Männern in der EU von 75 Prozent zu erreichen. Mit der Leitinitiative trug die Kommission in Brüssel dem Umstand Rechnung, dass einerseits mit 10 Prozent in der EU eine hohe Arbeitslosigkeit bestand, die das Wachstum beeinträchtigt und die sozialen Sicherungssysteme belastet, und andererseits Arbeitgeber Schwierigkeiten beim Besetzen offener Stellen haben, insbesondere für hoch qualifizierte Tätigkeiten. Außerdem wies sie darauf hin, dass aufgrund des fast EU-weiten Geburtenrückgangs die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter bereits ab 2012 abnehmen werde, selbst bei fortgesetzter Zuwanderung.

Die Mitgliedstaaten tragen jeweils die Hauptverantwortung für Beschäftigung, allgemeine und berufliche Bildung sowie ihre sozialen Sicherungssysteme. Vor diesem Hintergrund hat die Kommission in der Leitinitiative ‚Agenda für neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten‘ eine Reihe konkreter Maßnahmen benannt, die sich allesamt auf vier Prioritäten konzentrieren.

Die vier Prioritäten der Leitinitiative

  • Besser funktionierende Arbeitsmärkte:
    Insbesondere soll der Flexicurity-Ansatz, der Flexibilität und Sicherheit in den Arbeitsmärkten verbindet, weiterentwickelt werden. Die vier Flexicurity-Komponenten:
    > flexible und verlässliche vertragliche Vereinbarungen,
    > aktive arbeitspolitische Maßnahmen,
    > lebenslanges Lernen und
    > moderne Systeme der sozialen Sicherheit 
    sind dazu so auf den neuen sozioökonomischen Kontext abzustimmen, dass Reformen schneller umgesetzt werden, die Segmentierung im Arbeitsmarkt abgebaut wird, die Gleichstellung der Geschlechter gefördert wird und sich Übergänge lohnen.
  • Kompetentere Arbeitskräfte:
    Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung, die Antizipierung der erforderlichen Kompetenzen sowie Abstimmungs- und Beratungsleistungen werden als entscheidend angesehen, um den sich schnell ändernden Kompetenzanforderungen entsprechen und dem anhaltenden Ungleichgewicht zwischen den vorhandenen Kompetenzen und den Anforderungen des EU-Arbeitsmarktes begegnen zu können. In diese Richtung wirken auch die Maßnahmen, die im Hinblick auf das bildungspolitische Kernziel der Strategie Europa 2020 ergriffen werden. So soll die Schulabbrecherquote auf höchstens 10 Prozent gesenkt und der Anteil der 30- bis 34-Jährigen mit abgeschlossener Hochschulbildung auf mindestens 40 Prozent erhöht werden. Darüber hinaus fordert die Kommission, die Potenziale der Mobilität innerhalb der EU und der Zuwanderung aus Drittländern besser zu nutzen.
  • Höherwertige Arbeitsplätze und bessere Arbeitsbedingungen:
    Verwiesen wird auf den positiven Zusammenhang von hoher Arbeitsplatzqualität in der EU einerseits und Arbeitsproduktivität und Teilnahme an der Beschäftigung andererseits. Es ist aber zu verhindern, dass neue Arten der Arbeit und mehr Arbeitsplatzwechsel mit unangemessenen Arbeitsbedingungen verbunden sind, die zu mehr psychologischem Stress und psychosozialen Störungen führen. Denn ein unsicheres und ungesundes Arbeitsumfeld führt zu erhöhten sozialen und wirtschaftlichen Kosten, die die Wettbewerbsfähigkeit Europas bedrohen.
  • Stärkere Strategien zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und zur Förderung der Nachfrage nach Arbeitskräften:
    Es soll sichergestellt werden, dass die Menschen nicht nur auf dem Arbeitsmarkt aktiv sind und sich die richtigen Kompetenzen aneignen, sondern auch entsprechende Arbeitsplätze verfügbar sind, also eine Nachfrage besteht. Dazu ist ein beschäftigungswirksames Wachstum erforderlich, für das die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen sind, sowohl zur Beschäftigung von gering qualifizierten Personen als auch von hoch qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der MINT-Berufe.

Die EU-Beschäftigungsstrategie

Die ‚Agenda für neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten‘ bildet den Rahmen für viele Initiativen und Förderungen der EU, die zur Fachkräftesicherung beitragen können. Fragestellungen der Fachkräftesicherung werden insbesondere auch im Zusammenhang mit der Europäischen Beschäftigungsstrategie aufgegriffen.

So orientieren die 2010 beschlossenen und weiterhin gültigen beschäftigungspolitischen Leitlinien der EU unter anderem auf:

  • eine erhöhte Erwerbsbeteiligung,
  • den Abbau struktureller Arbeitslosigkeit und
  • die Förderung der Arbeitsplatzqualität,
  • die Heranbildung von Arbeitskräften, deren Qualifikationen den Arbeitsmarktanforderungen entsprechen müssen, und
  • die Förderung des lebenslangen Lernens sowie
  • die Steigerung von Qualität und Leistungsfähigkeit des allgemeinen und beruflichen Bildungswesens auf allen Ebenen.

Allerdings kann die Europäische Union nur anregend, unterstützend und koordinierend tätig werden, konkrete Maßnahmen vor Ort dagegen liegen zumeist in der Kompetenz der im jeweiligen Mitgliedstaat zuständigen Behörden. Das wichtigste EU-Instrument zur Förderung beschäftigungsbezogener Handlungsansätze ist der Europäische Sozialfonds. Er wird im Land Brandenburg intensiv für die Ziele der Fachkräftesicherung genutzt.

Raul Skorubski, BBJ Consult

 Seitenanfang

Infos
  • Bericht (PDF-Datei) der Arbeitskreise ‚Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik‘ (federführend) und ‚Berufliche Bildung‘ zum Thema ‚Strategien der Länder zum Umgang mit dem sich aufgrund der demografischen Entwicklung abzeichnenden Fachkräftemangel‘, Tagesordnungspunkt 5.2 der Wirtschaftsministerkonferenz am 6./7. Juni 2011 auf den Internetseiten des Bundesrates
  • Eine Agenda (PDF-Datei) für neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten: Europas Beitrag zur Vollbeschäftigung, KOM(2010)682 auf den Internetseiten der Europäischen Union
  • Beschluss (PDF-Datei) des Rates vom 21. Oktober 2010 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten auf den Internetseiten der Europäischen Union

Die drei Teilziele der Brandenburger Strategie zu Fachkräftesicherung

B I L D E N
Kompetenzen, Fähigkeiten und Interessen aller Brandenburger Jugendlichen und Erwachsenen durch ein attraktives Schul- und Hochschulsystem sowie ein modernes Aus- und Weiterbildungssystem besser erschließen.

H A L T E N
Wettbewerbsfähige Arbeitsplätze in zukunftssicheren, innovativen Unternehmen sichern und ausbauen.

G E W I N N E N
Steigerung der Attraktivität Brandenburgs, um innerhalb und außerhalb von Brandenburg Fachkräfte zu gewinnen.

Infos

Quelle: Brandenburger Fachkräftestrategie ‚Brandenburger Fachkräfte bilden, halten und für Brandenburg gewinnen‘, 29.03.2012, als PDF-Datei auf den Internetseiten des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie