Fachkräftesicherung
Schutzhelme

Strategisch Fachkräfte binden

Gut ein Drittel der Brandenburger Unternehmen spürt einen Engpass bei Fachkräften. Mit einer Strategie für mehr Fachkräfte und einem landesweiten Bündnis will das Land vorsorgen.

Prof. Dr. Wolfgang Schroeder
Prof. Dr. Wolfgang Schroeder

Plädoyer für neue Denkweisen

Prof. Dr. Wolfgang Schroeder ist Staatssekretär im Brandenburger Arbeitsministerium. In seinem Beitrag skizziert er eine mögliche Strategie, auf den demografischen Wandel zu reagieren und dessen Chancen zu nutzen.

Mit dem demografischen Wandel steht Deutschland vor einer seiner größten gesellschaftlichen Herausforderungen. Eine besondere Betroffenheit machen Experten auf dem Arbeitsmarkt aus und prognostizieren mit unterschiedlich düsteren Szenarien Fachkräftebedarfe vor allem im mittleren und hohen Qualifikationsniveau. Dennoch kann von einem allgemeinen Fachkräftemangel angesichts großer regionaler Disparitäten im Hinblick auf Art und Umfang von Arbeitskräftebedarf und -angebot derzeit nicht gesprochen werden. Trotzdem wird kaum jemand den Handlungsbedarf verneinen können, zumal langfristig Wachstum und Wohlstand auf dem Spiel stehen. Insofern gilt es nicht nur die Frage zu klären wann, wo und in welchem Umfang Fachkräfteengpässe tatsächlich zu erwarten sind, sondern vielmehr eine Strategie zu entwerfen, wie der Fachkräftebedarf heute und in Zukunft gesichert werden kann.

Strategie für morgen

Eine solche Strategie könnte darin bestehen, zu klären, wer die Arbeit von morgen leisten kann. Dabei würde man sich darauf konzentrieren, Potenziale in Zielgruppen zu erschließen, die bisher noch nicht hinreichend auf dem Arbeitsmarkt präsent sind und darauf, betriebliche und gesetzliche Bedingungen zu schaffen, die diesen Gruppen eine stärkere Partizipation ermöglicht. Das betrifft Frauen, Ältere, Geringqualifizierte und Zuwanderer, schließt aber auch Jugendliche, z. B. über Reduzierung von Schulabbrüchen, mit ein. Soll eine solche Strategie erfolgreich sein, muss sie mit verbindlichen Zuständigkeiten untersetzt sein.

Einen guten Ansatz bietet das Fachkräftesicherungskonzept der SPD-Bundestagsfraktion. Darin wird u. a. gefordert, einen Deutschen Rat für Fachkräftesicherung beim Bundeskanzleramt einzurichten, um verbindliche Ziele und Maßnahmen zu verabreden. Darüber hinaus bedarf es einer erweiterten Debatte um die Frage, wie Arbeit in einer Arbeitsgesellschaft zu gestalten ist, damit sie auch morgen gut geleistet wird. Der Fachkräftediskurs muss als Chance begriffen werden, eine neue Qualität der Arbeit durchzusetzen und die maßgeblichen Politikfelder Bildung, Familie, Gleichstellung, Wirtschaft, Beschäftigung und Arbeit sowie ihre Akteure stärker zu vernetzen. Auf betrieblicher Ebene geht es neben fairer Entlohnung z. B. um eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatleben, eine alters- und alternsgerechte gestaltete Arbeitswelt, um Mitbestimmung und Entwicklungsmöglichkeiten. Für die Durchsetzung dieser neuen Qualität der Arbeit genügt es nicht, sich auf mögliche Fachkräfteengpässe und eine zunehmende Konzessionsbereitschaft der Arbeitgeber zu verlassen. Vielmehr braucht es starke Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, die im partnerschaftlichen Prozess notwendige, vor allem tarifvertragliche Vereinbarungen treffen. Auf politischer Ebene gilt es, mit vorsorgender Sozialpolitik das Fundament zu legen. Es bedarf einer frühzeitig einsetzenden und auf die individuellen Fähigkeiten ausgerichteten Bildung sowie einer chancengerechten Gestaltung des sozialen Umfeldes.

Der Brandenburger Weg

Brandenburg hat früh erkannt, dass die Ressource ‚human capital‘ knapp wird. Das Land und die regionalen Akteure haben sich unter dem zentralen landespolitischen Konzept ‚Bilden-Halten-Gewinnen‘ aufgestellt, um den hiesigen Wohlstand und die Lebensqualität für die Zukunft zu sichern (siehe Artikel, die Red.). Strategisch setzen wir auf ein hohes Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte und darauf, arbeitslosen Menschen Zugangswege in Ausbildung und in den Arbeitsmarkt zu öffnen. Die demografische Entwicklung ist Chance und Risiko zugleich: Chance für Arbeitssuchende und Beschäftigte, Arbeit und Karriere in Brandenburg zu verwirklichen, - Risiko für Betriebe, ihren Marktanteil aufgrund fehlender Beschäftigter nicht mehr halten zu können. Es wird nichts nutzen, in großem Umfang auf Zuwanderung aus europäischen Ländern zu setzen. Diese Länder haben sehr damit zu kämpfen, ihrer Jugend Ausbildung und Arbeit zu bieten, aber die jungen Menschen werden dort gebraucht - europäische Wachstumsprogramme sind hoffentlich die richtige Antwort.

Ein Umdenken in zweierlei Hinsicht ist angesagt: Der Knappheit ist durch betriebliche Konzepte zu begegnen, die jungen und älteren Menschen eine individuelle Work-Life-Balance ermöglichen und damit die Attraktivität des Standortes erhöhen. Und von allen Akteuren der Region ist in einer Aktion Gemeinsinn gefordert, gemeinsam die Aufgabe zu schultern, junge Menschen im Land zu halten und Arbeitslose in Arbeit zu bringen. Und Region meint in diesem Sinn Berlin und Brandenburg. Wer nicht Verantwortung für seinen Bereich übernimmt, wird zusehen müssen, wie junge qualifizierte Hoffnungsträger dieser Region auch künftig den Rücken kehren, weil anderswo in Deutschland und Europa Arbeit besser bezahlt und Arbeitsbedingungen besser auf familiäre Pflichten abgestimmt sind. Viele junge Brandenburgerinnen und Brandenburger haben aus diesem Grund ihre Heimat verlassen. Gelingt es, sie zurückzuholen, weil sie hier gute Lebens- und Arbeitsbedingungen vorfinden, ist dies zwar nur ein kleiner Baustein zur Fachkräftesicherung, dafür hat diese Rückkehr einen hohen Symbolcharakter.

Brandenburg hat deshalb im Ausbildungskonsens, im Bündnis für Fachkräftesicherung und im Sozialpartnerdialog einen Konsens der Akteure entwickelt, der ein Wert an sich ist und weiter zum Vorteil unseres Landes intensiviert werden muss. Letztlich wird sich dieser Konsens jedoch daran messen lassen müssen, wie es gelingt, die demografischen Herausforderungen unseres Landes zu bewältigen.

 Seitenanfang

Infos

Das Fachkräftesicherungskonzept finden Sie als PDF-Datei auf den Internetseiten der SPD-Bundestagsfraktion.