Brandenburger Erfahrungen

Sprache als Barriere

Erfahrungen der Kammern an der polnischen Grenze

Sie sind nahe dran an den Betrieben. BRANDaktuell wollte von Kammern wissen, ob viele polnische Arbeitnehmer seit Mai in brandenburgischen Betrieben angekommen sind, als Fachkräfte, Auszubildende oder billige Arbeitskräfte. Haben sich die Hoffnungen erfüllt oder Ängste als gerechtfertigt herausgestellt? Weder noch. Derzeit beginnt alles ganz langsam.

 

Warten auf die Welle -
IHK Ostbrandenburg

Klaus Kröpelin

Sie kommt nicht, die Welle polnischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auf die der Brandenburger Arbeitsmarkt seit dem 1. Mai dieses Jahres wartet oder von der er drohte, überschwemmt zu werden. Die Gelassenheit der Unternehmerschaft und der Wirtschaftskammern hat sich bisher als zutreffend herausgestellt. Wie viele polnische oder deutsche Nachbarn haben seit Mai den Sprung in den Arbeitsmarkt jenseits der Oder gewagt? Darüber gibt es keine Statistik. Das Berichtswesen sieht eine solche Erhebung für die Unternehmen nicht vor. Erst mit der Konjunkturberichterstattung per 31.12.2011 werden die IHKs Fakten aus den Berichten der Unternehmen zur Verfügung haben. Bleibt als erste Quelle für grobe Einschätzungen die Erlebniswelt aus dem Tagesgeschäft.

Es gibt nur sehr begrenzt Jobanfragen, die zu offenen Stellen passen.

Aus Gesprächen mit Unternehmern zeichnet sich ab, dass es nur sehr begrenzt Jobanfragen polnischer Arbeitnehmer gibt, die zu offenen Stellen unserer Unternehmen passen. Von gravierender Bedeutung ist die Sprachbarriere. Dazu kommen Probleme, Berufsabschlüsse und Qualifikationen zu vergleichen. Die Unternehmen sind unsicher, wie sie Bewerber tariflich einzuordnen haben. Ebenfalls ausgeblieben ist ein Ansturm polnischer Ausbildungsplatzbewerber. Auch hier hemmt die Sprachbarriere. Bis dato haben wir 19 neue Ausbildungsverträge mit polnischen Auszubildenden registriert. Über alle Ausbildungsjahre hinweg sind es 29. Bei jährlich ca. 2.500 abgeschlossenen Verträgen ist der Anteil verschwindend gering.
Mein persönliches Fazit ist: Die Öffnung belastet den Arbeitsmarkt nicht. Sie hilft kaum, Fachkräftedefizite zu beheben. Trotzdem muss der gemeinsame Arbeitsmarkt als immanenter Teil eines vernetzten deutsch-polnischen Wirtschaftsraumes aktiv gestaltet werden. 

Klaus Kröpelin, IHK Ostbrandenburg

 

Wir brauchen vergleichbare Abschlüsse -
HWK Frankfurt (Oder)

Michaela Schmidt

Wir sehen die Arbeitnehmerfreizügigkeit als eine Möglichkeit, Fachkräfte zu gewinnen. In Brandenburg gibt es Pilotprojekte der Handwerkskammern, durch die polnische Jugendliche einen Ausbildungsvertrag mit einem deutschen Betrieb abgeschlossen haben. Da die osteuropäischen Staaten ebenfalls unter einem Fachkräftemangel leiden, war es jedoch nicht durchsetzbar, in großem Stil junge Menschen anzuwerben.

Eine Mitarbeiterin der Handwerkskammer Frankfurt (Oder) - Region Ostbrandenburg hatte zu Jahresbeginn in polnischen Schulen Eltern und Schülern das duale Berufsbildungssystem Deutschlands erläutert. 16 polnische Jugendliche nahmen an einem Deutschkurs teil. Handwerksbetriebe, die freie Ausbildungsplätze nicht mit einheimischen Jugendlichen besetzen konnten, schlossen mit den polnischen Jugendlichen Lehrverträge ab. Die Betriebe legen jetzt die Grundlage, mit zweisprachigen Fachkräften grenzüberschreitende Geschäfte zu fördern.

Sozialstandards dürfen nicht unterlaufen werden.

Die Höhe der Ausbildungsvergütung spielt eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für einen Ausbildungsplatz in Deutschland. Das zeigt sich auch daran, dass 9 der 16 polnischen Jugendlichen einen Beruf der Baubranche erlernen. Allerdings kann die Ausbildung polnischer Facharbeiter den Fachkräftemangel nicht lösen. Zukünftig ist daran zu arbeiten, dass vergleichbare Abschlüsse in allen EU-Ländern erworben werden.

Ein Wort zum Wettbewerb: Unsere Handwerker brauchen diesen mit den osteuropäischen Nachbarn nicht zu scheuen. Allerdings legen unsere Mitgliedsbetriebe Wert auf faire Wettbewerbsbedingungen. Die für unsere Unternehmen verpflichtenden Arbeits- und Sozialstandards dürfen nicht durch ausländische Anbieter unterlaufen werden.

Michaela Schmidt, HWK Frankfurt (Oder)