Neue Ausbildung in Brandenburg - Nr. 3/2012

Wenn das Übergangssystem zum Konkurrenten wird

Mit Speed-Dating und Fernsehspots wirbt die IHK Potsdam um Auszubildende. Denn Eltern und Jugendliche wissen von den neuen Ausbildungschancen im Land Brandenburg häufig noch nichts.

Sieben Minuten Zeit hatten Ausbildungsplatzinteressenten und Arbeitgeber für ein erstes Kennenlernen. Dann ertönte die Glocke und eine andere Interessierte oder ein anderer Interessierter nahm den Platz ein. 28 Betriebe aus der Hotel- und Gastronomiebranche suchten auf diese Weise beim ersten Speed-Dating der IHK Potsdam Ende April nach Auszubildenden.

André Papst (li) und Anne Beick
André Papst (li) lernt Chemikant, Anne Beick lernt Automobilkauffrau für Beratung und Verkauf. Beide posieren für die IHK-Kampagne ‚Mach-es-in-Brandenburg‘.

500 Plätze nicht besetzt

Sie hatten rund 160 Dates mit ausbildungsinteressierten Jugendlichen, 36 Vorstellungsgespräche sind daraus hervorgegangen. Für Wolfgang Spieß von der IHK Potsdam ist das ein guter Erfolg. Diese Branche macht ihm Sorgen, es fehlen ausreichend Nachwuchskräfte. Im vergangenen Jahr konnten die Unternehmen der Branche im Kammerbezirk rund 500 Ausbildungsplätze nicht besetzen, 2011 gab es rund ein Fünftel weniger neue Ausbildungsverträge als noch im Jahr 2010.

Anders die Metallbranche, hier ist die Zahl neuer Ausbildungsverträge von 2010 auf 2011 gestiegen. Doch für beide Branchen gilt: Sie brauchen Jugendliche, die in Brandenburg eine Ausbildung machen wollen. Darauf zielt eine Kampagne der IHK Potsdam ab. In Fernsehspots, in Regionalzeitungen, mit Postkarten, auf YouTube und Twitter wirbt die Kammer mit dem Slogan ‚Mach es in Brandenburg‘. Die Chancen für eine Ausbildung und einen Job sind gut im Land, so die Botschaft. Dass die Zeiten sich geändert haben, sei bei vielen Jugendlichen und vor allem bei ihren Eltern noch nicht angekommen, sagt Spieß. „80 Prozent der Ausbildungsentscheidungen werden von den Eltern getroffen.“ Und gerade in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit kämen diese zu dem Schluss, dass eine Ausbildung in Brandenburg nicht möglich sei oder sich nicht lohne.

Doch das Blatt am Ausbildungsmarkt hat sich gewendet. „Jetzt haben auch Jugendliche mit schlechten Startchancen in Brandenburg eine Chance“, sagt Wolfgang Spieß. Er denkt dabei auch an junge Leute aus Berlin, denn die Schulabgängerzahlen in Brandenburg seien so zurückgegangen, dass es schwer werde, den Bedarf nur aus Brandenburger Jugendlichen zu decken.

"Schick vorbei, wen Du hast."

Wolfgang Spieß kennt Unternehmen, die sich inzwischen erst die Jugendlichen und dann die Zeugnisse ansehen. „Der Geschäftsführer eines großen Restaurants in Potsdam bat mich, vorbeizuschicken, wen ich habe“, erzählt Spieß. Diese Herangehensweise beschränkt sich nicht nur auf die Hotel- und Gaststättenbranche. „Heidelberger Druck lädt jeden Interessenten zu einem Vorstellungsgespräch ein.“ Doch trotz aller Knappheit, vorzeigbar sollten die Zeugnisse sein, so Spieß.

Fatal findet er das Übergangssystem, in dem jährlich bundesweit fast 300.000 Jugendliche unterkämen (s. Artikel "Mehr Ausbildung, weniger System"). „Es muss etwas dafür getan werden, dass diese Jugendlichen die Schule so verlassen, dass sie reif für eine betriebliche Ausbildung sind“, fordert er. Auszubildenden, die schulischer Nachhilfe bedürfen, finanziert die IHK Potsdam seit Mai 2009 Nachhilfe - wenn die Ausbildungsbetriebe diese beantragen. Doch daran hapert es. Derzeit gibt es gerade mal rund 100 Fälle im Kammerbezirk, 1.000 wären möglich. „Dabei ist der Antrag unbürokratisch zu stellen“, sagt Spieß. Und in diesen Zeiten müsste die Zahl der Anträge eigentlich steigen.  (jac)

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Nachhilfe für Auszubildende

Die IHK Potsdam unterstützt Mitgliedsbetriebe, die Auszubildende einstellen, bei denen beim Übergang von der Schule zur Berufsausbildung Schwierigkeiten in der Fachtheorie zu erwarten sind.

500 Euro
Pro Auszubildenden werden bis zu 500 Euro für Nachhilfe zur Verfügung gestellt, der Fahrgeldzuschuss beträgt maximal 30 Euro pro Teilnehmer.

Infos

IHK Potsdam, Udo Sobota,
E-Mail:
udo.sobota(at)potsdam.ihk.de