LASA Brandenburg GmbH (Druckversion): Die neue Freizügigkeit

Die neue Freizügigkeit

Soll den Weg für einen gemeinsamen Arbeitsmarkt bereiten

„Früher hätte man sich im Süden des Landes die Finger geleckt nach einem Arbeitsplatz beim großen deutschen Nachbarn“, schrieb eine polnische Journalistin in der ‚Zeit‘. Diese Zeiten scheinen heute vorbei zu sein. Statt auf Zuwanderung in Größenordnungen stellt sich Brandenburgs Landesregierung auf einen gemeinsamen Arbeitsmarkt mit der polnischen Grenzregion ein. Ein Beitrag über die Landespolitik von Christiane Gottbehüt aus dem Brandenburger Arbeitsministerium.

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Brandenburg hatte sich bereits 2007 für einen früheren Beginn der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgesprochen. Dies aber nur unter der Voraussetzung, dass für deutsche und ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vergleichbare Bedingungen gewährleistet sind. Diese sollten wirtschaftlich fair und sozialpolitisch tragbar sein. Wichtig wäre auch damals ein gesetzlicher Mindestlohn gewesen.

Hat Brandenburg durch die späte Öffnung etwas ‚verpasst‘?

Von April bis Mai 2011 stieg deutschlandweit die Zahl der Beschäftigten aus den acht Mitgliedstaaten, für die die Arbeitnehmerfreizügigkeit neu eingeführt wurde (EU8), um 24.000 Beschäftigte an.

Brandenburg hat lediglich ein Plus von 1.200 Beschäftigten. Dabei fällt der Anstieg der Beschäftigten deutlich höher aus als die Zahl der Zuzüge aus den EU-8-Mitgliedstaaten. Das spricht dafür, dass der Anstieg nur zum kleineren Teil durch Zuwanderung erfolgt ist. Die meisten haben bereits hier gelebt und waren bislang nicht erwerbstätig bzw. waren selbstständig oder sie sind Grenzpendler.

Im Mai 2011 lebten bundesweit knapp 7.000 polnische Zuwanderer. Sie stellten verglichen mit Zuwanderern aus den anderen mittel- und osteuropäischen Staaten bundesweit die größte Gruppe dar. Die Zahlen bestätigen die Prognose, dass Zuwanderung vorrangig den Westen Deutschlands betrifft (s. S. 10, d. Red.).

Von einem Massenansturm auf den Brandenburger Arbeitsmarkt kann nicht die Rede sein - auch wenn die Brandenburger Arbeits-agenturen in den Grenzregionen derzeit einen Anstieg der Informationssuchenden aus Polen beobachten. Mangelnde Sprachkenntnisse erweisen sich oft als Hemmnis für eine Beschäftigung.

Wenn Betriebe deutsche Saisonarbeiter durch billigere Arbeitskräfte aus Polen ersetzen, ist das für die Landesregierung ein Signal, sich noch stärker für den Mindestlohn einzusetzen.

Dies verdeutlicht, Zuwanderung aus Polen kann in Brandenburg nur einen marginalen Beitrag leisten, den Fachkräftebedarf zu sichern, zumal es inzwischen auch in Polen an Fachkräften mangelt und qualifizierte Arbeitskräfte gut bezahlt werden.

Ein weiterer Aspekt: „Nicht irgendein Job ist wichtig für potenzielle Migranten, sondern die Möglichkeit, internationale Erfahrungen zu sammeln und die eigene Qualifikation zu verbessern.“ Das schrieb eine polnische Redakteurin Mitte August in der Zeit. Es geht also nicht um Einwanderung im engeren Sinne. Vielmehr handelt es sich um einen Austausch, von dem beide Seiten profitieren.

Interkulturelle Kompetenz für Polizei und Stadtverwaltung

Aufgabe der Landespolitik ist deshalb auch, Brandenburg für ausländische Fachkräfte und Auszubildende attraktiver zu gestalten. Hier ordnet sich eines der Leitprojekte des MASF ein: ‚Standortfaktor weltoffenes Brandenburg – Förderung eines gemeinsamen deutsch-polnischen Arbeitsmarktes‘.

So organisiert das Projekt ‚Vorteil Vielfalt‘ Trainings zur interkulturellen Kompetenz. Diese werden aus Mitteln des Bundes, des Europäischen Sozialfonds und des Landes gefördert. Verantwortlich für ‚Vorteil Vielfalt‘ ist das Büro der Integrationsbeauftragten des Landes. ‚Vorteil Vielfalt‘ schulte beispielweise Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung Frankfurt (Oder) und Polizisten der Polizeiwache in Schönefeld.

Lohndumping verhindern

Befürchtungen und Hinweise auf Fehlentwicklungen müssen ernst genommen werden. Ein landwirtschaftlicher Betrieb hatte deutsche Saisonarbeitskräfte entlassen und durch polnische mit deutlich geringerer Bezahlung ersetzt. Solch ein Beispiel ist ein Signal für die Landesregierung Brandenburg, sich auf Bundesebene noch stärker dafür einzusetzen, das Arbeitnehmerentsendegesetz auf möglichst viele Branchen auszuweiten und einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Lohndumping muss verhindert und eine wirtschaftlich faire wie sozial gerechte Wettbewerbssituation geschaffen werden, damit Arbeitskräfte aus dem In- und Ausland nicht gegeneinander ausgespielt und Löhne als Druckmittel eingesetzt werden können.

Erste positive Ansätze für die neue Freizügigkeit zeigen sich in der Berufsausbildung. Nachdem sie mehrmonatige Sprachkurse absolviert haben, werden polnische Jugendliche in Brandenburg ausgebildet. Das bedeutet Chancen für die polnischen jungen Menschen und die ausbildenden deutschen Handwerksbetriebe gleichermaßen. 

Christiane Gottbehüt,
Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie

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