LASA Brandenburg GmbH (Druckversion): Großes Interesse bekunden Personen mit niedrigen Qualifikationen

„Großes Interesse bekunden Personen mit niedrigen Qualifikationen“

Interview mit Grzegorz Piatak, Wojewodschaftsarbeitsamt in Zielona Góra

Grzegorz Piatak

Mit der Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in Deutschland gab es vor allem in den Grenzregionen Brandenburgs Befürchtungen, dass ein Ansturm von polnischen Arbeitskräften den Arbeitsmarkt überschwemmen würde. Diese Befürchtungen sind aber bisher nicht eingetreten. Was sind die Gründe dafür und welche Entwicklungen sind zukünftig zu erwarten? Wie die deutsche Sicht dazu ist, zeigt BRANDaktuell in verschiedenen Stellungnahmen (s. Seiten 7, 8, 9, 11). Doch wie denkt man in Polen darüber? Dazu interviewten Bernd Haak und Barbara Schwarz (BBJ) den Auditor im Wojewodschaftsarbeitsamt in Zielona Góra, Grzegorz Piatak.

Welche ersten Erfahrungen haben Sie mit der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit in Deutschland seit dem 1. Mai dieses Jahres? Ist eine stärkere Abwanderung von polnischen Arbeitnehmern zu beobachten?

Wir beobachten keine nennenswerte Abwanderung. Den Höhepunkt erlebten wir bei Öffnung der Arbeitsmärkte in Großbritannien und Irland. Die meisten Menschen, die entschlossen waren, sind damals abgewandert und haben dank der guten Konjunktur auch Arbeit gefunden. Die Arbeitgeber in Polen haben daraus ihre Schlüsse gezogen, die Arbeitsangebote sind heute attraktiver.  Wenn auch die Durchschnittslöhne in Deutschland noch höher sind als in Polen, sprechen jedoch die immer noch relativ niedrigen Lebenshaltungskosten dafür, in der Heimat zu bleiben. Ein weiter Grund liegt wohl auch darin, dass die Auswirkungen der Wirtschaftskrise von 2008 hierzulande nicht so deutlich spürbar sind wie in anderen europäischen Ländern.

Für welche Branchen/Berufsgruppen ist die Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes besonders interessant? Zeichnet sich ein Trend ab?

Das Interesse an einzelnen Branchen variiert in Polen ebenso wie in Deutschland. Da gibt es keine stabilen Tendenzen. Der polnische Klempner, der in Deutschland sein Geld verdient, ist eher ein Stereotyp als die Regel. Natürlich ist das Bauwesen eine Branche mit hoher Anziehungskraft, aber ein Ruf aus Deutschland nach zusätzlichen Arbeitskräften ist für uns kaum erkennbar.

Sie nehmen es vielleicht noch nicht so wahr, aber inzwischen finden gut qualifizierte Arbeitnehmer immer leichter eine akzeptable Stelle in Polen. Derzeit ist das insbesondere im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf die Fußball-Europameisterschaft 2012 der Fall.

Nehmen eher Akademiker, Facharbeiter oder ungelernte Arbeitskräfte die Arbeitnehmerfreizügigkeit wahr?

Das ist schwer einzuschätzen. Großes Interesse bekunden Personen mit niedrigen Qualifikationen. Es ist ihnen aber meist auch bewusst, dass sie eher geringere Chancen haben, eine Beschäftigung auf dem deutschen Markt zu finden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Mangel an Qualifikationen mit fehlenden Sprachkenntnissen verbunden ist.

Sind aus Ihrer Sicht Arbeitsangebote in Brandenburg für polnische Fachkräfte von Interesse oder werden andere Bundesländer bevorzugt?

Wenn polnische Arbeitnehmer eine Stelle in Deutschland suchen, sind die Kriterien für die Wahl des Bundeslandes ähnlich wie bei ihren deutschen Kollegen. Um es etwas salopp zu sagen, die Attraktivität des Arbeitsmarktes in Brandenburg wird ähnlich beurteilt, egal, von welcher Seite der Oder man ihn betrachtet.

Ein besonderer Anreiz für polnische Arbeitnehmer ist die Entfernung. Wenn man in Brandenburg arbeitet, kann man trotz allem weiterhin in Polen wohnen, das ist ausschlaggebend. Entfernungen in Größenordnungen von 100 bis 150 Kilometer stellen kein Problem mehr dar, auch wenn die Verkehrswege - sowohl die Bahn- als auch Straßenverbindungen - zwischen den beiden Ländern noch sehr verbesserungswürdig sind.

Verspüren Sie auch einen Trend, dass deutsche Arbeitnehmer verstärkt in polnischen Betrieben tätig werden?

Dass Deutsche in Polen arbeiten, ist schon seit Längerem eine Realität. Sie sind beispielsweise als Facharbeiter bei Bauvorhaben tätig, als Übersetzer oder Sprachlehrer. In Polen gibt es inzwischen viele kleine und mittlere Unternehmen aus Deutschland. Selbst kleine deutsche Handwerksbetriebe werden sichtbar stärker aktiv. Sie sind an Aufträgen in beiden Ländern interessiert. Zudem ist in Polen die Ausübung von Handwerksberufen gesetzlich nicht so reglementiert wie in Deutschland.

Glauben Sie, dass die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit Nachteile für den Arbeitsmarkt in Polen bringt?

Das glaube ich nicht. Derzeit ist, wie gesagt, die Abwanderung unerheblich. Mit der Zeit werden die ökonomischen Unterschiede immer geringer. Unter solchen Bedingungen wird die Freizügigkeit eher ihre Vorteile entfalten, als Nachteile zeigen. 

Bernd Haak/Barbara Schwarz (BBJ)

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