LASA Brandenburg GmbH (Druckversion): Verbundausbildung über Grenzen - Wir brauchen auch die Unternehmer

Fachkräfte · Qualifizierung

Verbundausbildung über Grenzen - Wir brauchen auch die Unternehmer

Durch eine bessere Nutzung der europäischen Verbundausbildung soll eine Qualitätserhöhung im dualen System der Berufsausbildung erreicht werden.

Stolz auf das gemeinsame Werk (Caen, Frankreich)
Stolz auf das gemeinsame Werk (Caen, Frankreich)

Das transnationale Projekt ‚Handwerk öffnet Türen - Lernen in Europa‘ der Handwerkskammer Potsdam wird aus Mitteln der Richtlinie ‚Transnationaler Wissens- und Erfahrungsaustausch‘ gefördert, die aus dem ESF und mit Landesmitteln finanziert wird. Ziel ist, nicht nur eine Qualitätserhöhung im dualen System zu erreichen, sondern auch gut qualifizierte Fachkräfte für die Handwerksunternehmen zur Verfügung zu stellen. In einem Gespräch im Zentrum für Gewerbeförderung der Handwerkskammer in Götz äußerten sich Projektleiter Manfred Scholz und Abteilungsleiter Dieter Arlt über Erfahrungen bei der Projektumsetzung.

Die HWK führt seit vielen Jahren europäische Projekte durch. Warum dieses? 

Manfred Scholz: Handwerk braucht eine solide Grundausbildung und es lebt von der Erfahrung. Je mehr Möglichkeiten es gibt, sie zu gewinnen, desto besser. Früher ging es im Handwerk auf die Walz, heute gehen wir zu unseren Partnern nach Italien, Frankreich und Spanien.

Dieter Arlt: Der Gedanke der Wanderschaft bekommt eine neue Bedeutung. Handwerk agiert meist regional, ist jedoch zunehmend mit europäischen Prozessen verbunden. Denken wir nur an die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Anerkennung beruflicher Qualifikationen. Wenn auch bisher der Zustrom auf dem Brandenburger Arbeitsmarkt überschaubar ist, wird sich das doch ändern. Mit welcher Qualifikation des Bewerbers kann ich rechnen, das will der Unternehmer schnell wissen und von jedem Bewerber, egal woher er kommt. 

Meister lernen von Meistern (Caen, Frankreich)
Meister lernen von Meistern (Caen, Frankreich)

Manfred Scholz: Was die Unternehmer hier und jetzt drückt, ist die zurückgehende Zahl der Ausbildungsbewerber. Hier ist ein Erdrutsch passiert. 1997 hatten wir im Kammerbezirk noch 11.200 Auszubildende, 2011 sind es nur noch knapp 3.700. Heute sucht sich der Jugendliche das Ausbildungsunternehmen aus. Dabei bewertet er Arbeitsbedingungen, Bezahlung, Sozialleistungen und Zukunftsperspektiven. Mit dieser demografisch bedingten Umkehrung der Situation können noch nicht alle Handwerksunternehmen umgehen. Sie müssen lernen, ihr Unternehmen für die Jugendlichen attraktiv zu machen. Schaffen sie den  Wandel nicht, hat das Folgen für den wirtschaftlichen Betrieb bis hin zur Sicherung der Unternehmensnachfolge.     

Dieter Arlt: Hier knüpfen wir an. Wir wissen um das große Interesse von Jugendlichen an  Ausbildungszeiten in anderen Ländern. Wir organisieren seit Jahren erfolgreich solche Austausche, jedoch könnten noch mehr Jugendliche daran teilhaben, zumal das Berufsbildungsgesetz internationale Ausbildungszeiten unterstützt. Ein Hindernis für wachsende Beteiligung ist fehlendes Interesse bei Unternehmen. Bei manchen spielen auch Vorurteile eine Rolle, à la was kann man da schon lernen. Und der nächste sagt, bei mir ging es ja auch ohne. Dem wollen wir nicht tatenlos zusehen. Die vorhandenen Strukturen für den Lehrlingsaustausch werden nun auch für die Unternehmer genutzt. Am schwersten fällt ihnen meist der erste Schritt. Deshalb lernen die Unternehmer erst einmal vergleichbare Handwerksbetriebe kennen. Mit welchen Problemen müssen sie sich auseinandersetzen? Wie gewinnen sie ihren Nachwuchs und was bewährt sich in der Ausbildung? Gibt es Gemeinsamkeiten, die den Lehrlingsaustausch sinnvoll machen? Der Wissens- und Erfahrungsaustausch schärft den Blick für das eigene Tun und liefert Ideen für die Zukunft.

Friseurmeisterinnen fachsimpeln über ihr Handwerk (Vicenza, Italien).
Friseurmeisterinnen fachsimpeln über ihr Handwerk (Vicenza, Italien).

Wie gestaltet sich der Projektverlauf?

Manfred Scholz: Das Angebot wird gut angenommen. Der eine Unternehmer kommt mit, weil er über den Wandel seines Auszubildenden erstaunt ist. War dieser vor dem Austausch eher wenig engagiert und langsam, kam er nach drei Wochen motivierter und selbstbewusster zurück. Was hat diese Veränderung in so kurzer Zeit verursacht? Andere Unternehmer interessiert, wie der Alltagsbetrieb in einer Bäckerei in Italien, einer Autoreparaturwerkstatt in Frankreich oder bei einem Friseur in Spanien organisiert ist. Uns obliegt es, über das Kennenlernen hinaus, den transnationalen Erfahrungsaustausch zu organisieren und inhaltlich zu strukturieren. Zentrale Themen sind die duale Ausbildung, gemeinsame Ausbildungsinhalte, Maßnahmen der Unternehmen zur Fachkräftesicherung.  

Ist der Zeitpunkt für transnationale Erfahrungsaustausche günstig?

Dieter Arlt: Zugespitzt kann man sagen, es gibt in Europa nichts Nationaleres, als die Bildungssysteme. Und doch wird z. B. mit der gemeinsamen Arbeit am Qualifikationsrahmen ein Schritt aufeinander zu gemacht. Wie bei der Entwicklung des gemeinsamen europäischen Marktes, der Arbeitnehmerfreizügigkeit, haben wir es mit langfristigen Prozessen zu tun. Die stete Zusammenarbeit kann aber bereits jetzt unseren Blick für die Stärken und Schwächen der anderen Systeme im Umgang mit Veränderungen erweitern. Fachkräfte werden nicht nur bei uns zum kostbaren Gut, der demografische Wandel findet in ganz Europa statt. Für uns als ausbildende Einrichtung wird dabei immer deutlicher, dass bei den Unternehmen der Schlüssel zum Erfolg liegt. Sie müssen die Besonderheiten handwerklicher Unternehmen neu definieren und in einem attraktiven Gesamtpaket präsentieren.   

Manfred Scholz: Zu unseren Partnern gehört eine Bäckerei in Norditalien. Auszubildende kommen hoch motiviert zurück, obwohl man auch dort sehr früh aufstehen muss und die Arbeit schwer ist. Positiv nehmen sie den eher familiären Umgang im Unternehmen wahr. Der Meister sorgt sich um seine Angestellten. In diesem Fall kocht er sogar und alle essen gemeinsam. Aber das ist es nicht allein. In Italien ist der Jugendliche nicht ‚nur’ der Lehrling, sondern von Anbeginn Mitarbeiter und wird als solcher geschätzt und entlohnt. Das stärkt seine Position und sein Selbstbewusstsein. Davon können wir lernen. Dass ein gutes soziales Klima allein nicht reicht, zeigen die Veränderungen der Nachfolgekultur in Italien. Der Generationswechsel vollzieht sich anders als vor Jahren. Strukturen verändern sich, die Wirtschaftskrise trifft alle, wenn auch unterschiedlich. 

Kfz-Ausbilder verstehen sich auch oft ohne Dolmetscher (Caen, Frankreich).
Kfz-Ausbilder verstehen sich auch oft ohne Dolmetscher (Caen, Frankreich).

Welche Erkenntnisse nehmen Sie für die Arbeit bei der HWK mit?

Dieter Arlt: Wir müssen uns um die fachliche und die persönliche Reife der Auszubildenden kümmern. Das ist eine gemeinsame Aufgabe von Jugendlichen, Unternehmen, Schule und Eltern, der wir uns mit unseren Möglichkeiten stellen. Wir versuchen außerdem, die Ausbildung durch die transnationale Verbundausbildung zu bereichern. In kleinteiliger Arbeit stimmen wir mit den Partnern einzelne Module ab. Alltagsorientiert geschieht das in Bereichen, die nicht so sprachintensiv sind. Ein Beispiel ist die Fehlersuche in Kraftfahrzeugen. Das Modul kann in der französischen und in der deutschen Autowerkstatt absolviert werden.

In dem transnationalen Projekt haben wir unterschiedliche Unternehmen erreicht, vom Baugewerbe über den Kerzenzieher bis zum Lebensmittelvermarktungsbereich. Sie sind in vielen Gremien vertreten und berichten über ihre Erfahrungen. Die meisten sind nach ihren ‚Praktika‘ im Ausland bereit, nicht nur Lehrlinge auszutauschen, sondern selbst Unternehmer aus anderen Ländern zum Austausch bei sich aufzunehmen. Damit ist aus unserer Sicht eine gute Basis für die nachhaltige Wirkung des Projektes gegeben.

Silvia Schallau, BBJ Consult AG 

Infos

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