LASA Brandenburg GmbH (Druckversion): Die Zukunft der europäischen Jugendpolitik

Jugend · Ausbildung

Die Zukunft der europäischen Jugendpolitik

Das geplante EU-Förderprogramm ‚Erasmus für alle‘ ist in die Kritik geraten. Vor allem die beabsichtigte Einstellung des EU-Jugendprogramms ‚Jugend in Aktion‘ stößt auf den Protest von Akteuren der Jugendarbeit.

Mit ‚Erasmus für alle‘ hatte die Kommission im November vergangenen Jahres ihre Vorschläge für die Bildungsförderung im Zeitraum 2014 bis 2020 vorgestellt.

‚Erasmus für alle‘ - was ist neu?

Der Programmvorschlag, der zurzeit vom Rat und vom Europäischen Parlament diskutiert wird, betont die Bedeutung der allgemeinen und beruflichen Bildung für Beschäftigung und Wachstum und ist an den Kernzielen der europäischen Wachstumsstrategie ‚Europa 2020‘ ausgerichtet. Nach ‚Europa 2020‘ soll der Anteil der 30- bis 34-Jährigen mit abgeschlossener Hochschulbildung auf 40 Prozent gesteigert werden und die Beschäftigungsquote der 20- bis 64-Jährigen das Niveau von 75 Prozent erreichen.

Angestrebt wird insbesondere, die länderübergreifende Mobilität von Lernenden zu intensivieren: So sind rund zwei Drittel des geplanten Gesamtbudgets von 19. Mrd. Euro für Stipendien vorgesehen, die bis zu fünf Millionen Menschen Bildungsaufenthalte im Ausland ermöglichen sollen - darunter fast drei Millionen Lernende in der Hochschul- und Berufsbildung.

Neu ist zudem, dass ‚Erasmus für alle‘ als Gesamtprogramm angelegt ist und ab 2014 alle derzeit laufenden Programme der Europäischen Union für die allgemeine und berufliche Bildung, die Jugend und den Sport ersetzen soll. Konkret handelt es sich um das Programm für lebenslanges Lernen mit Erasmus, Comenius, Leonardo da Vinci und Grundtvig, die internationalen Kooperationsprogramme aus dem Bildungsbereich, wie Erasmus Mundus, Tempus, Edulink, Alfa, die bilateralen Kooperationsabkommen mit Industriestaaten und um das EU-Jugendprogramm ‚Jugend in Aktion‘. Von der gestrafften Programmarchitektur verspricht sich die Europäische Kommission vor allem eine erhöhte Kosteneffizienz. Aber auch die Vereinfachung von Antragsverfahren und mehr Kohärenz durch die Vermeidung programmatischer Zersplitterung ist Ziel der geplanten Änderungen.

Reaktion der Jugendverbände

Während die von der Kommission ebenfalls geplante Aufstockung der finanziellen Mittel für Bildung, Jugend und Sport um rund 70 Prozent von den Jugendverbänden begrüßt wurde, stößt insbesondere die anvisierte Einstellung von ‚Jugend in Aktion‘ als eigenständigem EU-Jugendprogramm auf große Ablehnung.

So kritisiert etwa der Deutsche Bundesjugendring (DBJR), dass das neue Programm den Förderschwerpunkt einseitig auf die Beschäftigungsfähigkeit von Jugendlichen lege, wohingegen Aspekte nicht formalen Lernens und Ansätze zur aktiven Bürgerschaft und politischen Partizipation kaum noch berücksichtigt werden. Darüber hinaus sei ‚Erasmus für alle‘ primär auf die Mobilität von Hochschulstudierenden gerichtet, während ‚Jugend in Aktion‘ alle jungen Menschen ungeachtet ihres bildungsbezogenen, sozialen oder kulturellen Hintergrunds anspreche. Auch die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) bemängelt die Priorisierung der Hochschulbildung im neuen Programm und befürchtet eine künftige Beschränkung der Jugendförderung „... auf unmittelbare wirtschaftliche Verwertbarkeit ...“ (Quelle: Stellungnahme der AG Kinder- und Jugendhilfe vom 23. Februar 2012), womit die Gefahr besteht, dass insbesondere benachteiligte Jugendliche ausgeschlossen wären.

Position von Bund und Ländern

Die Kritikpunkte finden sich in ähnlicher Form auch in der Stellungnahme des Bundesrates wieder. So wird unter anderem betont, dass die mitgliedstaatlichen Bemühungen für den Bildungsfähigen sich nicht darauf beschränken sollten, „... die Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern, sondern das umfassendere Ziel haben müssen, Werte zu vermitteln und die gesamte Persönlichkeit zur Entfaltung zu bringen ...“. (Quelle: Bundesrat Drucksache 767/11 vom 10. Februar 2012). In dem Beschluss vom 10. Februar 2012 lehnt die Länderkammer den ‚integrierten Ansatz‘ der Kommission ab und fordert eine eigene Säule für die Jugend im künftigen Förderprogramm. Auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hatte sich aufgrund der positiven Ergebnisse einer Zwischenevaluierung von ‚Jugend in Aktion‘ bereits im März 2011 gegen die Zusammenlegung der Jugendförderung mit anderen Bereichen und für die Fortführung eines eigenständigen EU-Jugendprogrammes ausgesprochen.

Wie geht es weiter?

Zurzeit wird der Vorschlag vom Rat und vom EU-Parlament erörtert. Vom zuständigen Ausschuss im Europäischen Parlament wurde bereits deutliche Kritik an den Kommissionsplänen geübt und ein Bericht für Juli angekündigt. Im Oktober könnte es bereits zur Abstimmung über den Vorschlag kommen.

Michael Steinbach, BBJ Consult AG

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Infos

Informationen zum Programm 'Erasmus für alle' finden Sie auf den Internetseiten der Europäischen Kommission.

'Erasmus für alle' - Verspricht der Titel mehr als dieser halten kann?
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