LASA Brandenburg GmbH (Druckversion): Die Chemietarifverträge

„Tarifvertrag hat Aufsehen erregt“

Dr. Paul Kriegelsteiner
Dr. Paul Kriegelsteiner, Hauptgeschäftsführer Arbeitgeber- verband Nordostchemie e. V.

Unser Lebensphasen-Tarifvertrag hat  in Deutschland Aufsehen erregt. Erstmals verpflichtet sich eine komplette Branche, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dann zu entlasten, wenn sie dies brauchen - zur Kindeserziehung oder zur Pflege von Angehörigen - oder wenn im Alter die Arbeitsbelastung reduziert werden soll. Und das geschieht ohne drastische Gehalteinbußen. Mit unserem flexiblen Arbeitszeitmodell können die Beschäftigten länger berufstätig sein und eine tragfähige Altersversorgung aufbauen.

Unsere Mitgliedsunternehmen erhalten so ein wirksames Mittel gegen die Belastungen des demografischen Wandels, denn bewährte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleiben an Bord. Die Zeit der Frühverrentungen ist vorbei. Viele Menschen wollen nicht nur für eine bessere Rentenversorgung länger arbeiten, sie wissen längst, dass gute Arbeit, ein wertschätzendes Umfeld und berufliche Anerkennung sinnstiftend und im Prozess des Älterwerdens hilfreich sind. So profitieren beide Seiten: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einerseits, Unternehmen andererseits. Zur Nachahmung empfohlen!

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„Tarifpolitisches Neuland“

Petra Reinbold-Knape
Petra Reinbold-Knape, Landesbezirksleiterin IG BCE, Bezirk Nordost

Mehr als 6.000 Beschäftigte in der Chemieindustrie im Land Brandenburg zeigen, welch starke und innovative Kraft in unseren Betrieben steckt. Und wir können mit Recht sagen: „Für gute Arbeit wird gutes Entgelt bezahlt.“ Früh, schon im Jahr 2008, haben wir mit dem Tarifvertrag ‚Lebensarbeitszeit und Demografie‘ tarifpolitisch Neuland betreten.

Darauf aufbauend schlossen wir im November 2011 den Tarifvertrag ‚Lebensphasengerechte Arbeitszeitgestaltung‘ ab. Damit reagieren wir auf die Erhöhung des Altersdurchschnittes und auf den sich abzeichnenden Fachkräftemangel. In diesem Tarifvertrag setzen wir einen Rahmen für die Betriebsparteien zur Entlastung ausgewählter Arbeitnehmergruppen, für altersgerechtes Arbeiten sowie für Familienzeiten.

Neben diesen Regelungen haben wir mit unseren Tarifverträgen zur Ausbildung konkrete Chancen für Jugendliche festgeschrieben, rund 140 neue Auszubildende sind auch hier ein Erfolgsrezept.

Die Chemietarifverträge

Die Chemiebranche reagiert seit 2008 auch tarifvertraglich auf den demografischen Wandel. Stephan Enzmann von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) stellt die beiden Tarifverträge vor.

Der demografische Wandel hat enormen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg und auf die Beschäftigungssituation der Arbeitnehmer. Die Sozialpartner der Chemiebranche haben deshalb bereits 2008 einen Tarifvertrag ‚Lebensarbeitszeit und Demografie‘ abgeschlossen, als Antwort auf den demografischen Wandel.

Tarifvertrag, Lebensarbeitszeit und Demografie

Dieser beinhaltete die ‚Chemieformel zum demografischen Wandel‘:

Demografiefonds

Um diese Prozesse auch materiell begleiten zu können, wurde ab 2010 ein Demografiefonds in den Betrieben von 300 Euro jährlich pro Tarifmitarbeiter gebildet. Die Verwendung des Demografiebetrages kann im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung von Arbeitgeber und Betriebsrat festgelegt werden. Für folgende Zwecke kann er verwendet werden:

Die Zielrichtung des Tarifvertrages sahen viele Akteure in der Möglichkeit, einen flexiblen, vorzeitigen Übergang in den Ruhestand zu gestalten.

Tarifvertrag Lebensphasengerechte Arbeitszeitgestaltung

Im November 2011 haben die IG BCE und der Arbeitgeberverband Nordostchemie den Tarifvertrag ‚Lebensphasengerechte Arbeitszeitgestaltung für die ostdeutsche chemische Industrie‘ (LePha) abgeschlossen. Mit dem Tarifvertrag haben die Gewerkschaft und der Arbeitgeberverband Nordostchemie ein Instrument geschaffen, um den demografischen Wandel weiter zu gestalten. Hauptziel des Vertrages ist die Möglichkeit, die Arbeitszeit den verschiedenen Lebensphasen anzupassen.

Anforderungen im Berufsleben und Anforderungen bei der Erziehung von Kindern sowie bei der Pflege von Angehörigen sollen besser vereinbar werden. Die Unternehmen brauchen hierzu veränderte Rahmenbedingungen, die dieser Tarifvertrag enthält. Dazu gehören auch flexible Übergangsformen in den Ruhestand.

Den Betriebsparteien kommt bei der Ausgestaltung des Tarifvertrages eine hohe Verantwortung zu. Sie legen in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung fest, dass

zur Anwendung kommen können.

Der Tarifvertrag sieht statt einer generellen tariflichen Arbeitszeitreduzierung eine lebensphasengerechte betriebliche Arbeitszeitentlastung vor.

Finanzierung der Entlastungszeiten

Zur Finanzierung der Entlastungszeiten wird ein jährlicher Fonds von 2,5 Prozent der Summe der tariflichen Entgelte des Vorjahres gebildet. Für die Jahre 2013 bis 2015 wird dieser Fonds um jeweils 200 Euro je Anspruchsberechtigten aufgestockt. In den Betrieben werden zurzeit die Verwendungszwecke zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbart. Am häufigsten werden Regelungen für belastete Arbeitnehmergruppen getroffen, so zur Betreuung kranker Kinder über den gesetzlichen Freistellungsanspruch hinaus oder zur Pflege von Familienangehörigen. Mittel aus dem Fonds können zur Finanzierung von Teilzeit für Arbeitnehmer ab dem vollendeten 60. Lebensjahr verwendet werden. Diese können die Arbeitszeit auf 50 Prozent oder 80 Prozent der tariflichen Wochenarbeitszeit mit Entgeltausgleich reduzieren.

Stephan Enzmann
Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie,
Landesbezirk Nordost