Zukunft des Europäischen Sozialfonds - Nr. 4/2012

Die künftige Kohäsionspolitik - wo wir stehen

Norbert Glante ist seit 1994 Mitglied des Europäischen Parlaments für den Wahlkreis Brandenburg. In BRANDaktuell schreibt er, wie die Kohäsionspolitik im Parlament diskutiert wird.

Norbert Glante
„Europas Mehrwert ist einmalig. Die europäische Idee, zugunsten der gemeinsamen Vorteile aller Europäer zu handeln, statt für Individualinteressen zu kämpfen, bewährt sich tagtäglich.“

Die Europäische Union verpflichtet sich im Vertrag von Lissabon, einen stärkeren wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der Mitgliedstaaten und ihrer 271 Regionen anzustreben. Diese Aufgabe soll mithilfe der Kohäsionspolitik umgesetzt werden. Die Kohäsionspolitik hat das Ziel, Ungleichheiten in den am wenigsten entwickelten Gebieten der EU auszugleichen.

Das im Oktober 2011 von der Europäischen Kommission vorgelegte Gesetzespaket überholt die derzeitige Architektur der Kohäsionspolitik: Die Komplexität soll verringert, die unzureichende Integration mit anderen verwandten Politikbereichen behoben und die strukturpolitischen Finanzmittel auf eine kleinere Anzahl von Prioritäten konzentriert werden. Das Paket besteht aus fünf fondsspezifischen Verordnungen, die von der Allgemeinen Verordnung überdacht werden und mit der für alle Fonds die Leitlinien zur Förderberechtigung, der Förderdauer, die Definition der Zielgebiete, die Förderhöchstsätze usw. vorgegeben werden. Erstmalig ist nun auch das Europäische Parlament als gleichberechtigter Gesetzgeber im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beteiligt.

Dänische Ratspräsidentschaft

Die dänische EU-Ratspräsidentschaft hatte sich zum Ziel gesetzt, die Verhandlungen an dem Paket voranzutreiben. Aus Sicht des Europaparlamentes sind die Arbeiten während der vergangenen sechs Monate gut vorangekommen. Die große Zahl von mehr als 1.600 Änderungsanträgen allein für die Allgemeine Verordnung im Regionalausschuss des Europäischen Parlaments verdeutlicht, dass die Abgeordneten sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und viele Verbesserungsvorschläge erarbeitet haben.

Beratungen im Parlament

Bei den Beratungen standen die Themen makroökonomische Konditionalitäten, Leistungsreserve sowie Programmfinanzierung aus den verschiedenen Fonds im Mittelpunkt. So setzten sich die Berichterstatter für eine Streichung der Vorschrift zu den makroökonomischen Konditionalitäten ein. Ihrer Ansicht nach dürften die Regionen nicht durch teilweise oder vollständige Aussetzung der Zahlungen aus den Strukturfonds dafür bestraft werden, wenn auf mitgliedstaatlicher Ebene Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht eingehalten werden. Sanktionen könnten die Probleme in wirtschaftlich geschwächten Mitgliedstaaten weiter verschärfen. Des Weiteren sollten die leistungsgebundenen Reserven für die Kohäsionsfonds in Höhe von fünf Prozent gestrichen werden, da diese die Aufnahme innovativer und komplexer Projekte hemmen würden. Was den Europäischen Sozialfonds betrifft, sprach sich das Parlament bisher dafür aus, den Fonds stärker auf die Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit und die Förderung von Mobilität auszurichten. Hinsichtlich einer größeren Flexibilität, den Partnerschaftsverträgen sowie des Sozialschutzes schlugen die Abgeordneten zahlreiche Änderungen vor. Die von der EU-Kommission vorgestellte Konzentration auf thematische Prioritäten, beispielsweise lebenslanges Lernen, Investitionen in Bildung oder die Förderung von sozialer Integration und Armutsbekämpfung, wurden kontrovers diskutiert.

Nach der Abstimmung in den Ausschüssen werden die politischen Fraktionen eingehend über die Kohäsionspolitik beraten, bevor das Plenum des Europäischen Parlaments voraussichtlich im November 2012 über das Gesetzespaket abstimmt.

Norbert Glante

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Infos

Die Website von Norbert Glante finden Sie unter www.glante.eu.

Begrifflichkeiten

Geltungsbereich der Allgemeinen Verordnung:
Die Allgemeine Verordnung gilt für folgende Fonds: Europäischer Sozialfonds, Europäischer Fonds für regionale Entwicklung, Kohäsionsfonds sowie erstmals aufgenommen Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und Europäischer Meeres- und Fischereifonds.

Leistungsgebundene Reserve:
Etwa 5 Prozent der Kohäsionsmittel sind für diejenigen Regionen vorgesehen, die beim Erreichen der Ziele am besten abschneiden und die Mittel effizient nutzen. Die leistungsgebundene Reserve ist derzeit umstritten.

Partnerschaftliche Verträge
Die Kommission will mit jedem EU-Land eine Partnerschaftsvereinbarung schließen, in der alle Verpflichtungen des Landes zur Verwirklichung der europäischen Ziele festgelegt werden.  (jac)