Akzente - Nach der Instrumentenreform - Nr. 2/2012

„Ich bin sehr zahlenorientiert“

Der neue Chef der Arbeitsagenturen in Berlin und Brandenburg

Dieter Wagon
Dieter Wagon will die Arbeitsförderung stärker auf die Integration in sozialversicherungs- pflichtige Beschäftigung ausrichten

Dieter Wagon ist seit Ende Januar 2012 Leiter der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit. Davor leitete er in der Nürnberger Zentrale die Abteilung Controlling und Finanzen. 2010 bekam er den Controllerpreis verliehen, für ein System, mit dem der Einsatz der Arbeitsförderinstrumente gesteuert werden kann. Dieter Wagon fordert eine höhere Wirksamkeit der Maßnahmen, diese müssten häufiger den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit verhelfen.

Herr Wagon, wie muss die Förderpolitik der Agenturen für Arbeit ausgerichtet werden?

Unser erster Ansatz ist die Berufsorientierung. Es geht darum, dass die Jugendlichen einen Ausbildungsabschluss erlangen, der in eine sozialversicherungspflichtige Arbeit mündet. Es gibt Berufsfelder, in denen deutlich über den Bedarf ausgebildet wird, beispielsweise Frisör. Oder Kfz-Mechatroniker, hier haben auch wir in Berlin Maßnahmen gefördert, die hatten eine Übertrittsquote in Arbeit von 40 Prozent, das ist nicht zufriedenstellend. Wir werden uns mit den Kammern und dem Land abstimmen, wo die Bedarfe für Fachkräfte liegen. Und unsere Berufsberater werden die Jugendlichen transparent beraten, schon in den Schulen. Dabei geht es uns besonders auch darum, schwächere Jugendliche zu integrieren.

Welche Förderpolitik verfolgen Sie im Hinblick auf Arbeitslose?

Ein Schwerpunkt liegt darauf, Arbeitslose zu qualifizieren, wenn die Qualifizierung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Integration in sozialversicherungspflichtige Arbeit führt. Das gilt für Arbeitsagenturen und für Jobcenter. Gerade für die Programme zur Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen und gering qualifizierten Beschäftigten wird deutlich mehr Geld zur Verfügung stehen.

Wie wird sich die Instrumentenreform auf die öffentlich geförderte Beschäftigung auswirken?

Der zweite und dritte Arbeitsmarkt (s. Infos, die Red.) wird deutlich zurückgehen. Wir wollen nicht durch Marktersatz hohe Bestände beschäftigen, sondern wirkungsorientiert Qualifizierungen in den ersten Arbeitsmarkt realisieren.

Können Sie so auch die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit reduzieren?

Es gibt einen Teil sehr marktferner Kunden. Für sie erhalten wir den zweiten Arbeitsmarkt weiter aufrecht, dafür stehen 20 Prozent des Eingliederungstitels der Jobcenter zur Verfügung. Das habe ich mit den Agenturleitungen abgestimmt. Aber die Instrumentenreform setzt eindeutig den Schwerpunkt darauf, eine Arbeitsaufnahme in Betrieben zu erreichen. Dafür haben wir das neue Instrument Förderung von Arbeitsverhältnissen gemäß §  16e SGB  II. Das Instrument ist für Arbeitgeber gedacht. Ich hoffe, es wird gut in Anspruch genommen, denn ich halte es für ein sehr effektives Instrument.

Wo sehen Sie Schnittstellen mit der Landesförderung?

Um auch eine Integrationswirkung bei Maßnahmen des Marktersatzes zu erzielen, sind Qualifizierungsanteile sinnvoll. Bewährt hat es sich, dass das Land Brandenburg diese über den Europäischen Sozialfonds finanziert. Wir wünschen uns auch mehr Coaching, wenn Langzeitarbeitslose eine Beschäftigung aufnehmen. Das könnte meiner Ansicht nach ebenfalls über den ESF gefördert werden.

Wird es spürbare Einschnitte beim Gründungszuschuss geben?

Die Mittel dafür sind von der Politik deutlich zurückgefahren. Wir werden im Rahmen unseres Ermessens immer fragen, ob die Möglichkeit besteht, den Kunden in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Es ist nicht Aufgabe der Versichertengemeinschaft, die Aufnahme einer selbstständigen Beschäftigung zu fördern. Ab 2013 sind die Mittel für den Zuschuss Bestandteil der Eingliederungsleistungen, dann können die Agenturen selbst entscheiden.

Ziel der Instrumentenreform ist, dezentrale Entscheidungskompetenzen zu stärken. Müssen die Vermittlungsfachkräfte umdenken?

Es geht nicht darum umzudenken, sondern darum weiterzuentwickeln. Wir erwarten, dass die Vermittler die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse der Kunden profilen und individuelle Lösungen finden. Unserer Berater sind angehalten, dabei mehr auf die Talente der Kunden zu achten und diese gegebenenfalls weiterzuentwickeln. Es reicht nicht, nur berufliche Qualifikationen abzugleichen. Aber auch die Kunden müssen stärker deutlich machen, welche Anstrengungen sie unternehmen, um in Arbeit zu kommen.

Sie haben ein System entwickelt, um den Einsatz der Förderinstrumente zu steuern. Fließen die Erfahrungen in Ihre Arbeit ein?

Ich bin sehr zahlenorientiert. Wenn wir eine höhere Wirksamkeit der Maßnahmen erzielen wollen, müssen diese individuell zugeschnitten werden. Das gilt auch für die Träger. Ich habe Gespräche mit Bildungsträgern geführt, damit sie ihre Angebote mehr am Markt ausrichten. Die Träger sollen sich stärker mit den Betrieben verzahnen.

Was haben Sie sich für die nächsten Jahre vorgenommen?

Mein Ziel ist, die Qualifikation von Arbeitslosen und die Fachkräftebedarfe der Betriebe stärker in Übereinstimmung zu bringen. Dabei geht es auch darum, Beschäftigte zu qualifizieren, damit diese auf andere Stellen aufsteigen und Arbeitslose nachrücken.  (jac)

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Der 3. Arbeitsmarkt bezeichnet auf Dauer angelegte öffentlich geförderte Beschäftigung für Menschen, die keine Chance auf reguläre Beschäftigung haben.