Neue Ausbildung in Brandenburg - Nr. 3/2012

Inklusion von der Kita bis zur Ausbildung

Einmal Sonderstruktur - immer Sonderstruktur. Mit diesem Automatismus will Brandenburg brechen. Mit Berufsorientierung will das Land Jugendlichen helfen, die mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Schulen verlassen.

Die UN-Behindertenrechtskonvention hat einen Paradigmenwechsel in Deutschland eingeleitet. Inklusion wird jetzt im Sinne des gemeinsamen Lernens und der Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen im Bildungssystem definiert, von der Kita bis zur tertiären Bildung. Die Konvention eröffnet damit ein Recht auf gemeinsame Bildung. Nicht mehr die Eltern müssen begründen, warum ihr Kind für eine Regelinstitution geeignet ist, sondern Kita, Schulen oder Berufsschulen müssen erklären, warum das nicht gehen soll. Alle Bundesländer müssen die Vorgaben in Gesetze überführen und Aktionspläne ausarbeiten.

Von 2005 bis 2007 brachte die ESF-geförderte EQUAL-Partnerschaft Jugendliche mit Lernschwierigkeiten, wie Julia R. (s. Foto), in betriebliche Ausbildung. Der Ansatz war richtungsweisend. Nach einem ersten Modellprojekt ‚ZEBRA‘ gibt es inzwischen das zweite Modellprojekt ‚ZEBRA-plus‘.
Von 2005 bis 2007 brachte die ESF-geförderte EQUAL-Partnerschaft Jugendliche mit Lernschwierigkeiten, wie Julia R. (s. Foto), in betriebliche Ausbildung. Der Ansatz war richtungsweisend. Nach einem ersten Modellprojekt ‚ZEBRA‘ gibt es inzwischen das zweite Modellprojekt ‚ZEBRA-plus‘.

In Brandenburg verlassen jährlich rund 1.500 Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Schulen. Ca. 50 Prozent von ihnen waren vorher auf einer Schule mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt ‚Lernen‘, den sogenannten Lernbehindertenschulen. Gezielte berufsorientierende Aktivitäten und strukturelle Veränderungen sollen frühzeitig den Automatismus ‚einmal Sonderstruktur - immer Sonderstruktur‘ im Lebensverlauf aufbrechen. Ein zentrales Handlungsfeld im Behindertenpolitischen Maßnahmenpaket (s. Kasten) des Landes Brandenburg ist deshalb die frühzeitige Berufsorientierung. Denn bisher werden die meisten Schulabgänger mit dem sonderpädagogischen Förderbedarf ‚geistige Entwicklung‘ in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt, nicht einmal 0,3 Prozent finden von dort den Weg in die Betriebe.

Das soll sich ändern. Potenziale für betriebliche Ausbildung auch für diese Jugendlichen hat Brandenburg durch seine klein- und kleinstbetriebliche Struktur und die damit vielerorts verbundene persönliche Ansprache. Eine Betriebsstruktur, die sich oft als hinderlich für wirtschaftliche Großprojekte zeigte, hat in diesem Fall Vorteile.

ESF-gefördertes Modellprojekt

Derzeit transferiert das Modellprojekt ‚ZEBRA-plus‘ ein erprobtes schulisches Berufsorientierungsverfahren an ausgewählte Schulen im Land (s. Kasten). Mit dem Brandenburger Bildungsministerium und der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit werden Gespräche geführt, um zukünftig für alle Schulen mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt ‚Lernen‘ ein berufliches Orientierungsverfahren anbieten zu können.

Inklusiv von Anfang an

Seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009, deren Umsetzung für die Bundesländer Gesetzescharakter hat, erhalten die Belange behinderter Kinder und Jugendlicher in Deutschland immer mehr öffentliche Aufmerksamkeit. In der Praxis beginnt jedoch eine inklusive Bildung nicht erst mit der Berufsorientierung, sondern im Bedarfsfall, also ggf. mit der am Gedanken der Inklusion orientierten Frühförderung, niedrigschwelligen und barrierenfreien Angeboten und unabhängiger Beratung für die Eltern.
Die Beispiele zur Berufsorientierung verdeutlichen exemplarisch, dass Inklusion möglich ist, wenn Verantwortliche Wege für ein selbstverständliches Miteinander von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung finden. Gleichzeitig zeigen sie aber auch, dass noch ein langer Weg vor uns liegt.

Dr. Sandra Wagner,
Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie

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Infos

Den ungekürzten Artikel von Dr. Sandra Wagner finden Sie hier als PDF-Datei.

ESF-Logo Land BrandenburgZEBRA-plus wird aus Mitteln des ESF und des Landes gefördert.

Maßnahmenpaket

Drei Maßnahmen zur Berufsorientierung stehen im Behindertenpolitischen Maßnahmenpaket des Landes Brandenburg im Mittelpunkt:

  • Umsetzung der Bund-Länder-Initiative Inklusion, Handlungsfeld Berufsorientierung (2011-2013).
  • Modellprojekt ‚Übergang Schule-Beruf‘ (2009-2014). Ziel ist es, den Aufbau eines Übergangsmanagements Schule-Beruf sowie Alternativen zur Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen zu schaffen.
  • ‚ZEBRA-plus‘ transferiert ein erprobtes schulisches Berufsorientierungsverfahrens inklusive einer Übergangsbegleitung in eine betriebliche Berufsvorbereitungsmaßnahme (BvB) und eventuell in eine nachfolgende betriebliche Berufsausbildung. Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt ‚Lernen‘. Einbezogen sind die Schulämter Wünsdorf, Perleberg und Frankfurt (Oder) (s. BRANDaktuell Nr. 6/2011, die Red.).