Europa - Nr. 4/2012
Lernen am PC

Seit der Lissabon-Strategie streben die europäischen Bildungsminister einen Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik an: Die berufliche Bildung ist mit dem Einstieg in den Beruf nicht beendet. Die nationalen Bemühungen müssen auf diesem Weg jedoch verstärkt werden.

Qualifizierung

Lernen - ein Leben lang?!

Die Agenda 2010 gibt die Richtung vor. Der Strategische Rahmen für allgemeine und berufliche Bildung formuliert die Ziele. Denn Weiterbildung muss in Europa an Bedeutung gewinnen. Das gilt auch für Brandenburg.

In einer dynamischen Wissensgesellschaft reicht das in Schule und Ausbildung erworbene Wissen längst nicht mehr aus, um ein ganzes Arbeitsleben daraus zu schöpfen. Lebenslanges Lernen wird zur Notwendigkeit, denn die technischen und fachlichen Entwicklungen verlangen eine regelmäßige Überprüfung der eigenen Qualifikationen und eine Erweiterung der persönlichen Kompetenzen. Bildung hilft bei der persönlichen Orientierung, erhält und verbessert die Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe und Beschäftigungsfähigkeit und begegnet den Gefahren wachsender Ungleichheit und sozialer Ausgrenzung.

Unterschiede in Europa

Lebenslanges Lernen ist in den europäischen Mitgliedstaaten bisher unterschiedlich stark entwickelt. Außerdem gibt es noch immer zwischen den europäischen Staaten erhebliche Unterschiede im Bildungsniveau, die es in den kommenden Jahren weiter zu reduzieren gilt.

Education and Training 2020

Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich die Bildungsminister der EU-Mitgliedstaaten geeinigt, die nationalen Bemühungen für die berufliche Aus- und Weiterbildung zu verstärken. 2009 hat der Europäische Rat den ‚Strategischen Rahmen für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung (ET 2020)‘ verabschiedet und, unter Betonung der uneingeschränkten Wahrung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für ihre Bildungssysteme, die folgenden vier strategischen Ziele formuliert:

  • Verwirklichung von lebenslangem Lernen und Mobilität
  • Verbesserung der Qualität und Effizienz der allgemeinen und beruflichen Bildung
  • Förderung der Gerechtigkeit, des sozialen Zusammenhalts und des aktiven Bürgersinns
  • Förderung von Innovation und Kreativität - einschließlich unternehmerischen Denkens - auf allen Ebenen der allgemeinen und beruflichen Bildung

Mit der Verabschiedung der Europa-2020-Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum durch den Europäischen Rat im Juni 2010 hat der Stellenwert der europäischen Bildungszusammenarbeit weiter zugenommen. Wichtige bildungsrelevante Ziele sind hier die Senkung der Schulabbrecherquote und die Erhöhung des Anteils der Hochschulabsolventen.

Zu den wichtigsten Themen und Vorhaben des strategischen Rahmens ‚ET 2020‘ gehören:

  • Entwicklung nationaler kompetenzbasierter Qualifikationsrahmen in Verbindung mit dem Europäischen Qualifikationsrahmen;
  • Schaffung flexibler Lernwege einschließlich eines besseren Übergangs zwischen den verschiedenen Bereichen der allgemeinen und beruflichen Bildung;
  • Ausweitung der Mobilität für Lernende, Lehrer und Lehrerausbilder für Lernphasen im Ausland unter Anwendung der Grundsätze der Europäischen Qualitätscharta für Mobilität;
  • Anhebung des Niveaus der Grundkenntnisse;
  • Entwicklung wirksamer Qualitätssicherungssysteme.

In regelmäßigen Abständen berichten die EU-Bildungsminister dem EU-Ministerrat über den Stand der Zielerreichung. Um eine Vergleichbarkeit und Überprüfung der Fortschritte zu bekommen, haben sich die Mitgliedstaaten auf durchschnittliche Bezugsgrößen (sog. ‚Benchmarks‘) geeinigt. Für die regelmäßige Weiterbildungsteilhabe Erwachsener liegt das Ziel bei 15 Prozent. Schaut man sich nun die Weiterbildungsbeteiligung in der Bundesrepublik an, fällt auf, dass die Beteiligung an beruflichen Weiterbildungen in den letzten Jahren insgesamt leicht rückläufig ist, bestenfalls stagniert, wie auch kürzlich im Bundesbildungsbericht zu lesen war. Woran liegt das? Gerade im Zeitraum 2007 bis 2010 musste sich die berufliche Weiterbildung den Herausforderungen stellen, eine Finanz- und Wirtschaftskrise zu kompensieren, mit einer hohen Zahl an Geringqualifizierten und Schulabbrechern konfrontiert zu sein sowie die ersten Auswirkungen des demografischen Wandels zu überstehen. In Brandenburg allerdings ist die Beteiligung an Weiterbildungen auch in der Krise stabil geblieben.

Fachkräftestudien in Brandenburg

Die Erkenntnisse aus der gemeinsamen Fachkräftestudie Berlin-Brandenburg bestätigen, dass Brandenburg in den kommenden Jahren einen enormen Bedarf an qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern haben wird. Greift man exemplarisch den Kernbereich Gesundheitswirtschaft heraus, hat man eine personalintensive Branche, in der mit steigendem Bedarf an Fachkräften zu rechnen ist. Bis zum Jahr 2015 brauchen Brandenburger Betriebe aus der Gesundheitswirtschaft voraussichtlich ca. 28.000 zusätzliche Fachkräfte, da viele aufgrund von Verrentung aus der Erwerbstätigkeit ausscheiden und ersetzt werden müssen, gleichzeitig steigt das Durchschnittsalter der Belegschaft enorm an. Das haben Fachkräftebedarfsanalysen in der Berlin-Brandenburger Gesundheitswirtschaft ergeben.

Eine neue Weiterbildungskultur unterstützen

Wenn die Zahl der verfügbaren Fachkräfte zurückgeht, muss in das bestehende Potenzial investiert werden. Brandenburg kann unternehmerischen Erfolg nur sichern, wenn es in die Qualifizierung von Personal investiert und gute Berufs- und Lebensperspektiven schafft, und zwar für Jung und Alt. Um die demografischen Entwicklungen zu meistern, ist die berufliche Weiterbildung eine zentrale Stellschraube. Bereits im Koalitionsvertrag einigten sich die Regierungsparteien auf die intensivere Förderung des lebenslangen Lernens.

In Brandenburg hat sich in den vergangenen Jahren eine gut vernetzte Weiterbildungslandschaft etabliert. Dazu beigetragen haben u. a. Rahmenbedingungen wie das Brandenburgische Weiterbildungsgesetz, die Schaffung des Landesbeirates für Weiterbildung, die Bildungsfreistellung und regionale Initiativen wie die vom BMBF geförderten Netzwerke im Rahmen des Programms ‚Lernende Regionen‘.  Seit 2009 wird die Entwicklung von Bildungslandschaften bis 2014 über das Programm ‚Lernen vor Ort‘ realisiert.

Team Weiterbildung berät

Die Nachfrage nach Weiterbildungsangeboten steigt an und das ist auch der Trend, den das Team Weiterbildung Brandenburg nachvollzieht. Als feste Informationsgröße in der beruflichen Weiterbildung ist das aus Mitteln des ESF und des Landes geförderte Suchportal für Berlin-Brandenburg seit 1993 kontinuierlich erweitert und technisch angepasst worden. Heute, 19 Jahre später, stehen über 30.000 Bildungsangebote von über 1.000 Bildungsanbietern den Bildungsinteressierten zur Verfügung, die auch über eine interaktive Googlemap dargestellt und nach Regionen oder Wirtschaftsclustern gefiltert werden können. Seit 2007 bis 2011 sind die Zugriffe auf die Bildungsangebote um 45 Prozent angestiegen und die Anzahl der Besucher auf den Internetseiten vom Team Weiterbildung hat im gleichen Zeitraum sogar einen Aufwuchs von 78 Prozent erfahren. Weiterbildungsnews und Veranstaltungstipps erhöhen die Attraktivität, sich regelmäßig mit Lernen im Lebenslauf zu beschäftigen. Im bundesweiten Test der Weiterbildungsdatenbanken hat die Stiftung Warentest 2011 das brandenburgische Suchportal mit dem Prädikat ‚sehr gut‘ ausgezeichnet. Flankiert wird das Informationstool seit 2005 von einer qualifizierten, neutralen und kostenfreien Bildungsberatung. Bildungsinteressierte können sich anbieterneutral zu Bildungsangeboten, Zukunftsfeldern und finanzieller Förderung beraten lassen. Weil die Nachfrage stetig wächst, wurde im Jahr 2011 eine weitere Bildungsberaterin eingestellt. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Menschen sich weiterqualifizieren wollen. Nun muss das vorhandene Potenzial gehoben werden und Anreize gesetzt werden, damit das Lernen im Lebenslauf nicht nur ein Etappenziel bleibt.

Neues Förderprogramm

Mit der neuen Weiterbildungsrichtlinie des brandenburgischen Arbeitsministeriums wird noch stärker als bisher in die berufliche Weiterbildung investiert. Die Förderangebote für Unternehmen und Beschäftigte wurden gebündelt sowie die finanzielle Unterstützung für den Bildungsscheck Brandenburg ausgebaut. Ermöglicht wird die Förderung durch die Europäische Union, die das lebenslange Lernen mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds umfassend unterstützt.

Franziska Schumann, LASA Brandenburg GmbH;
Michael Steinbach, BBJ Consult AG

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Infos
  • Die gemeinsame Fachkräftestudie Berlin-Brandenburg finden Sie auf den Internetseiten des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie.
  • Studien und Zahlen zum Fachkräftebedarf in der Gesundheitswirtschaft finden Sie auf den Internetseiten der LASA Brandenburg GmbH.

Richtlinie auf den Internetseiten der LASA:

ESF-Logo Land BrandenburgDie Förderrichtlinie wird aus Mitteln des ESF und des Landes gefördert.