LASA Brandenburg GmbH (Druckversion): Europa 2020 und die Rolle des ESF
Im Oktober 2011 legte die Europäische Kommission ihre Vorschläge zur Kohäsionspolitik für die Zeit von 2014 bis 2020 vor. Diese werden gegenwärtig mit den Mitgliedstaaten im Rat sowie mit dem Europäischen Parlament diskutiert. Daneben befindet sich die Europäische Kommission derzeit in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten zur Struktur der Partnerschaftsvereinbarung.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen standen drei Themen im Mittelpunkt des Vortrages von Dr. Marzenna Guz-Vetter:
Zu Beginn ihres Vortrages stellte Dr. Marzenna Guz-Vetter Auszüge aus den Vorschlägen vor, welche die Europäische Kommission im Oktober zur Reform der Kohäsionspolitik vorgelegt hat. Sie betonte, dass der Kommissionsvorschlag im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Finanzkrise zu sehen ist. Vor dem Hintergrund notwendiger Sparmaßnahmen ginge es vor allem darum, die Effizienz der Kohäsionspolitik zu stärken.
Für die Regionalförderung in der kommenden Förderperiode hat die Europäische Kommission ein Budget von 336 Milliarden Euro veranschlagt. Rund ein Viertel, also 84 Milliarden Euro, sind für ESF-Projekte vorgesehen. Verglichen mit der jetzigen Förderperiode würde das Volumen des ESF damit um etwa 7,5 Prozent wachsen.
Als zentrale inhaltliche Elemente des Kommissionsvorschlags hob Dr. Marzenna Guz-Vetter folgende Punkte hervor:
Für Deutschland ergibt sich aus dem Vorschlag der Kommission, dass ab 2014 erheblich weniger Fördermittel als in der aktuellen Förderperiode zur Verfügung stehen werden. Das gilt bundesweit, betrifft aber die neuen Bundesländern stärker. Dr. Guz-Vetter verwies darauf, dass davon auszugehen sei, dass künftig auch das Volumen der Kofinanzierungsmittel auf regionaler und lokaler Ebene geringer ausfallen werde. Grund dafür seien diverse innerdeutsche Haushaltsbestimmungen, insbesondere das Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019 und die Auflagen durch die sogenannte Schuldenbremse.
Nach dem Verordnungsentwurf wird der ESF ab 2014 auf vier thematische Ziele ausgerichtet:
Darüber hinaus soll der ESF auch zu anderen Zielen beitragen. Er soll die Länder dabei unterstützen, auf eine CO2-arme, klimaschonende Wirtschaft umzustellen und er soll dazu beitragen, dass Informations- und Kommunikationstechnologien stärker genutzt werden. Weiterhin soll der ESF Forschung, technologische Entwicklung und Innovation stärken und dabei helfen, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen zu verbessern.
Für den Europäischen Sozialfonds sind gleich drei von fünf Kernzielen der Strategie 2020 von Bedeutung: Erhöhung der Beschäftigungsquote, Verringerung der Zahl vorzeitiger Schulabgänger sowie Verringerung der Armut. Indem der ESF diese Kernziele verfolgt, trägt er zu der Wachstumsstrategie 2020 der Europäischen Union bei.
Dr. Guz-Vetter machte deutlich, dass Brandenburg hier bei der Erfüllung der Zielvorgaben gute Ergebnisse vorweisen kann. Bei der Zahl der tertiären Bildungsabschlüsse müsse allerding nachgebessert werden.
In der neuen Förderperiode bestünde die zentrale Herausforderung für das Land vor allem darin, perspektivisch zu denken, sagte Dr. Guz-Vetter. So müsse sich die Planung der ESF-Mittel für die Zeit nach 2014 insbesondere an der demografischen Entwicklung orientieren. Wissenschaftliche Studien zeigten, dass Brandenburg, ebenso wie der gesamte ostdeutsche Raum, in besonderem Maße von zwei Problemen betroffen sei: Das ostdeutsche Erwerbspersonenpotenzial schmilzt ab und die Bevölkerung altert rapide.
Dies bedeute, dass Brandenburg künftig in noch stärkerem Maße von einem Mangel an Arbeitskräften betroffen sein könnte. Inwieweit diese Entwicklung durch Zuwanderung aus dem Ausland aufgefangen werden könnte, sei fraglich. Die Zahl von Zuwanderungen nach Ostdeutschland falle bislang eher gering aus. Eine Anstellung qualifizierter Fachkräfte etwa aus Polen scheitere oftmals an fehlenden Deutschkenntnissen. Daher sollte man bei der ESF-Planung über eine stärkere zwischenstaatliche Koordinierung nachdenken.
Für Brandenburg sei es wichtig, das Land auch mithilfe des Sozialfonds für hoch qualifizierte Fachkräfte aus dem In- und Ausland attraktiv zu machen. Dazu gehöre, eine Willkommenskultur zu etablieren. Weitere wichtige Punkte für die ESF-Planung in Brandenburg seien, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu stärken und das Potenzial älterer Arbeitskräfte besser zu nutzen, sagte Dr. Guz-Vetter.
Den dritten Teil ihrer Ausführungen widmete Dr. Guz-Vetter den länderspezifischen Empfehlungen. Grundlage für die Empfehlungen ist die verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung in der Europäischen Union. Die Europäische Kommission hat die Empfehlungen zu den Nationalen Reformprogrammen der Mitgliedstaaten dem Europäischen Rat vorgelegt. Wenn der Rat die Empfehlungen annimmt, sollen die Länder sie bei der Programmierung der Ausgaben aus dem Strukturfonds, also auch der ESF-Ausgaben, berücksichtigen. Die Europäische Kommission empfiehlt Deutschland, bei der Planung des nächsten Haushaltes
Zum Abschluss ihres Vortrages gab Dr. Guz-Vetter zu bedenken, dass die Programmierung der Kohäsionspolitik für die nächste Förderperiode aufgrund der Staatsschuldenkrise in einem sehr unsicheren Umfeld stattfindet. Durch die Eurokrise müsse mit jederzeit unerwarteten Entwicklungen gerechnet werden, die auch mit Auswirkungen auf die Verhandlungen des Mehrjährigen Finanzrahmens verbunden sein könnten. Dies erfordere sowohl von den Mitarbeitern der Europäischen Kommission als auch von ihren Partnern auf Landes- und Regionalebene ein hohes Maß an Flexibilität und Arbeitseinsatz. Insbesondere sei verstärkt mit ‚Last-Minute‘-Entscheidungen zu rechnen, wodurch es zu Verzögerungen bei der eigentlichen Programmumsetzung kommen könnte.
Schätzungen zur Höhe der Summen für die einzelnen Regionen sind schwer zu treffen.
Auch könnten Einschätzungen zur Höhe der Summe, die den Regionen für die nächste Förderperiode zur Verfügung gestellt wird, derzeit nur schwer getroffen werden. Diese stünde erst dann fest, wenn die Verhandlungen über den nächsten Finanzrahmen abgeschlossen sind. Zum Budgetvorschlag der Europäischen Kommission für die Kohäsionspolitik gebe es gegenwärtig aber sehr unterschiedliche Positionen der Mitgliedstaaten.
Schließlich sei die von der Kommission vorgeschlagene Reform der Strukturpolitik mit sehr hohen Erwartungen an die Planungs- und Verwaltungsverantwortlichen in den Mitgliedstaaten verbunden. Das betrifft insbesondere thematische Konzentration, Leistungsorientierung und Effizienz. Auch seien beim Mitteleinsatz künftig mehr Vorgaben als in der Vergangenheit zu berücksichtigen. Hintergrund ist der Vorschlag, sich über die Bestimmungen der allgemeinen und der auf den jeweiligen Fonds zugeschnittenen Verordnungen hinaus an den Zielen der Agenda 2020 und den länderspezifischen Empfehlungen der EU-Kommission zu orientieren. Dies bedeute, dass kurzfristige Anpassungen der Programmplanung wahrscheinlich sind.
Michael Steinbach, BBJ Consult AG