Die Chemietarifverträge
Die Chemiebranche reagiert seit 2008 auch tarifvertraglich auf den demografischen Wandel. Stephan Enzmann von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) stellt die beiden Tarifverträge vor.
Der demografische Wandel hat enormen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg und auf die Beschäftigungssituation der Arbeitnehmer. Die Sozialpartner der Chemiebranche haben deshalb bereits 2008 einen Tarifvertrag ‚Lebensarbeitszeit und Demografie‘ abgeschlossen, als Antwort auf den demografischen Wandel.
Tarifvertrag, Lebensarbeitszeit und Demografie
Dieser beinhaltete die ‚Chemieformel zum demografischen Wandel‘:
- Durchführung einer Demografieanalyse;
- Maßnahmen zur alters-, alterns- und gesundheitsgerechten Gestaltung der Arbeitsprozesse;
- Maßnahmen zur Qualifizierung während des gesamten Erwerbslebens;
- Maßnahmen der (Eigen-)Vorsorge und Nutzung flexibler Verwendungszwecke für gleitende Übergänge zwischen Bildungs-, Erwerbs- und Ruhestandsphase.
Demografiefonds
Um diese Prozesse auch materiell begleiten zu können, wurde ab 2010 ein Demografiefonds in den Betrieben von 300 Euro jährlich pro Tarifmitarbeiter gebildet. Die Verwendung des Demografiebetrages kann im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung von Arbeitgeber und Betriebsrat festgelegt werden. Für folgende Zwecke kann er verwendet werden:
- Langzeitkonten,
- Altersteilzeit,
- Teilrente,
- Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Chemie,
- tarifliche Altersvorsorge.
Die Zielrichtung des Tarifvertrages sahen viele Akteure in der Möglichkeit, einen flexiblen, vorzeitigen Übergang in den Ruhestand zu gestalten.
Tarifvertrag Lebensphasengerechte Arbeitszeitgestaltung
Im November 2011 haben die IG BCE und der Arbeitgeberverband Nordostchemie den Tarifvertrag ‚Lebensphasengerechte Arbeitszeitgestaltung für die ostdeutsche chemische Industrie‘ (LePha) abgeschlossen. Mit dem Tarifvertrag haben die Gewerkschaft und der Arbeitgeberverband Nordostchemie ein Instrument geschaffen, um den demografischen Wandel weiter zu gestalten. Hauptziel des Vertrages ist die Möglichkeit, die Arbeitszeit den verschiedenen Lebensphasen anzupassen.
Anforderungen im Berufsleben und Anforderungen bei der Erziehung von Kindern sowie bei der Pflege von Angehörigen sollen besser vereinbar werden. Die Unternehmen brauchen hierzu veränderte Rahmenbedingungen, die dieser Tarifvertrag enthält. Dazu gehören auch flexible Übergangsformen in den Ruhestand.
Den Betriebsparteien kommt bei der Ausgestaltung des Tarifvertrages eine hohe Verantwortung zu. Sie legen in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung fest, dass
- altersgerechtes Arbeiten,
- tarifliche Familienzeiten,
- Entlastungszeiten für ausgewählte Arbeitnehmergruppen und
- Langzeitkonten
zur Anwendung kommen können.
Der Tarifvertrag sieht statt einer generellen tariflichen Arbeitszeitreduzierung eine lebensphasengerechte betriebliche Arbeitszeitentlastung vor.
Finanzierung der Entlastungszeiten
Zur Finanzierung der Entlastungszeiten wird ein jährlicher Fonds von 2,5 Prozent der Summe der tariflichen Entgelte des Vorjahres gebildet. Für die Jahre 2013 bis 2015 wird dieser Fonds um jeweils 200 Euro je Anspruchsberechtigten aufgestockt. In den Betrieben werden zurzeit die Verwendungszwecke zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbart. Am häufigsten werden Regelungen für belastete Arbeitnehmergruppen getroffen, so zur Betreuung kranker Kinder über den gesetzlichen Freistellungsanspruch hinaus oder zur Pflege von Familienangehörigen. Mittel aus dem Fonds können zur Finanzierung von Teilzeit für Arbeitnehmer ab dem vollendeten 60. Lebensjahr verwendet werden. Diese können die Arbeitszeit auf 50 Prozent oder 80 Prozent der tariflichen Wochenarbeitszeit mit Entgeltausgleich reduzieren.
Stephan Enzmann
Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie,
Landesbezirk Nordost