Neues Selbstbewusstsein polnischer Beschäftigter - DGB
Laut Bundesagentur für Arbeit war bis Ende Juli die Zahl der Beschäftigten aus den MOE-Ländern um 41.000 gestiegen. Aufgeteilt nach Branchen arbeitet der größte Teil (6.400) in Zeitarbeitsfirmen. Diese Zahlen sind aber nur die halbe Wahrheit. Nicht enthalten sind entsandte Beschäftigte und nach Deutschland entliehene Zeitarbeitnehmer. Auch Zahlen zu Selbstständigen sind kaum bekannt.
Anders stellt sich die Situation aus Sicht des Beratungsbüros für entsandte Beschäftigte in Berlin dar, einem bundesweit einmaligen Projekt der Senatsverwaltung Wirtschaft mit dem DGB Berlin-Brandenburg. Das Büro richtet sich an Wanderarbeitnehmer, vor allem aus Polen und Rumänien. Die Zielgruppe hat nur geringe Informationen über das Arbeits- und Sozialrecht in Deutschland. Die beschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit hat dazu geführt, dass viele formal als Selbstständige gemeldet sind, oft ohne ihr Wissen. Die Folgen sind nicht bezahlte Löhne, unzumutbare Arbeitszeiten oder fehlende Krankenversicherung.
Seit Mai 2011 zeigen sich neue Trends. Vor allem polnische Arbeitnehmer bemühen sich darum, aus der Grauzone der (Schein-)Selbstständigkeit herauszukommen und benötigen arbeitsrechtliche Beratung. Sie entwickeln ein neues Selbstbewusstsein. So hat ein polnischer Lkw-Fahrer beim Beratungsbüro um Hilfe gebeten, weil er auf Geheiß seines Arbeitgebers den Fahrtenschreiber manipulieren sollte. Dieser grundsätzlich positiven Entwicklung steht eine wachsende Zahl von Klagen rumänischer und bulgarischer Wanderarbeiter gegenüber, für die voraussichtlich erst ab 2014 die volle Freizügigkeit gelten wird. Offensichtlich werden sie verstärkt als ‚leichter auszubeutende‘ Arbeitskräfte angeworben.
Fazit: Der Zuzug von Arbeitskräften aus MOE-Ländern hält sich in Grenzen. Durch die ‚Legalisierung‘ trauen sich jedoch mehr, ihre Rechte wahrzunehmen. Arbeitgeber, die sich die mit der Beschränkung der Freizügigkeit verbundene Rechtsunsicherheit zunutze machen, schwenken um auf Rumänen und Bulgaren. ‚Legalisierung‘ allein verbessert aber die Situation nicht. Notwendig sind Information und Unterstützung.
Heiko Glawe, DGB