Migranten als Nachfolger
Interview mit Birgit Felden, HWR Berlin
Mittelständler haben immer häufiger Schwierigkeiten, qualifizierte Nachfolger für den Chefsessel zu finden. Warum nicht auf externe oder interne Fachkräfte zurückgreifen, die einen Migrationshintergrund haben? Bisher ist dieses Potenzial noch nicht ausgeschöpft, weiß Professorin Birgit Felden von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht, denn sie hat zu diesem Thema eine Potenzialanalyse durchgeführt (s. Infokasten). Zu welchen Ergebnissen und Schlussfolgerungen die Analyse kam, dazu befragte BRANDaktuell die Wissenschaftlerin.
Frau Felden, aus welchen Gründen haben Sie die Analyse durchgeführt?
Es ist ja bekannt, dass es bei den mittelständischen Betrieben Probleme bei der Nachfolgeregelung gibt. Wir haben uns deshalb gefragt, weshalb das Potenzial der Migranten dabei so wenig berücksichtigt wird. Salopp gesprochen, warum übernimmt Ali Abdilla nicht den Handwerksbetrieb seines Chefs Martin Müller, obwohl er schon seit über 20 Jahren dort arbeitet. Oder anders formuliert, wir wollten wissen, welche Hürden Migranten zusätzlich überwinden müssen, abgesehen von den generellen Hindernissen einer Übernahme.
Haben Sie die Ergebnisse überrascht?
Ja. Dies gilt einmal für die Datenlage. Es ist kaum möglich, genaue Informationen zu erhalten. Die von uns per Statistik ermittelte Zahl der Unternehmen scheint viel zu niedrig. Es bleibt zu vermuten, das stützt sich auch auf unsere Interviews, dass hier vieles im Verborgenen geschieht und keinen Eingang in die Zahlenwelt der Statistik erhält.
Überrascht hat mich außerdem die Vielfalt, die unter dem Begriff Nachfolge subsumiert wird. Übergabe, Verpachtung oder Beteiligung sind nur einige Beispiele dafür. Diese Vielfalt in der Praxis kollidiert aber oftmals mit dem engen Korsett der Statistik, das die Bandbreite der Nachfolge-Praxis nicht abdeckt.
Weiterhin überrascht haben mich die Ergebnisse der Tiefeninterviews, die wir mit Beratern und anderen Experten geführt haben. Demnach zeichnen sich deutsche Unternehmer durch rationales, vernünftiges und bürokratisches Handeln aus. Unternehmer mit Migrationshintergrund würden dagegen im Allgemeinen eher kreativ und chaotisch handeln. Außerdem konstatierten die Experten den Migrantenunternehmern niedrigere Qualifikationen und schlechte Bonität.
Gibt es eine Brandenburger Spezifik?
Ja, denn die Nachfolge von Migranten ist hier fast nicht virulent. Auch unsere beiden befragten Experten Andreas Lehmann von der IHK und Hans-Dietrich Metge vom Unternehmerverband kannten kaum Fälle migrantischer Nachfolgen. Da wir nur Brandenburg als einziges ostdeutsches Bundesland untersucht haben, wissen wir allerdings nicht, ob die Brandenburger Spezifik auch auf die anderen ostdeutschen Bundesländer übertragbar ist.
Welche Konsequenzen sollten aus den Ergebnissen gezogen werden?
In der Analyse haben wir mehrere Handlungsempfehlungen gegeben. Dazu gehört auch eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit: So kennen beispielsweise viele Migranten die Datenbank Nexxt-change nicht. Außerdem sollte der Vorteil einer Migrationsübernahme vielmehr in den Vordergrund gestellt werden. Denn im Zuge der Globalisierung sind Mehrsprachigkeit und kulturelle Kompetenz ein Wettbewerbsvorteil. Wichtig ist es auch, den engen Nachfolgebegriff, der vor allem in der Statistik angewandt wird, offener zu verwenden, denn die Praxis ist bunter. Außerdem sollte es eine zielgruppengerechte Ansprache der Migranten geben, die besonders auf die ethnischen Milieus Rücksicht nimmt. (em)
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